: Der Weg der Anarchisten
Noch bessere Aussicht: Bausenatorin Christine Wischer eröffnete jetzt den von einigen sehr ungeliebten Uferweg Stadtwerder. Für kurzfristig blinde Ruderer ist er eine Gefahr
„Das war ja klar, dass die hier langfahren. Das sind doch Anarchisten.“ Die Fahrradfahrer sind mal wieder die Gescholtenen. Und diejenige, die sich so ereifert, ist eine ältere Dame vom „Licht-Luft-Bad“ links der Weser, die nicht will, dass die Fahradfahrer den neuen Uferweg Stadtwerder für sich einnehmen.
Er verläuft seit kurzem, idyllisch umsäumt von Pappeln und Weiden und mit freiem Blick auf das andere Weserufer, an der Weser entlang von der Wilhelm-Kaisen-Brücke bis kurz vor den Fähranleger Hal-Över. Und er ist wohlgemerkt kein Fahrradweg.
Schon seit 1996 ist das Projekt im Rahmen des Konzeptes „Stadt am Fluss“ in Planung. Das Gebiet war bis vor kurzem noch ein unwegsames, zugewachsenes Uferstück, wo nur ein paar Berber ihre Zelte aufgeschlagen hatten und Ruderer der dort ansässigen Vereine ihre Boote vom Lager zur Weser schleppten. Dann wurde es als attraktives Naherholungsgebiet entdeckt, und eine zähe Verhandlungsphase von vier Jahren begann. Stadtgrün und die Stiftung „Wohnliche Stadt“ hatten ein Konzept entwickelt, nach dem 600 Meter des Weges über Grundstücke verliefen, die Rudervereine von der Stadt gepachtet hatten. Da nun Ruderer die Angewohnheit haben, ihre Boote über den Kopf gestülpt zu transportieren, also auf der Strecke zur Weser blind sind, drohte von dem neuen Weg, inclusive rabiater Fahrradfahrer und Skater, Gefahr.
Nach langen Diskussionen mit den Rudervereinen begannen aber dennoch vor drei Monaten die Bauarbeiten. Zuvor hatte man sich darauf geeinigt, den Weg als reinen Fußweg auszuweisen, „woran sich sowieso niemand hält“, meint Ute Kolb, Vorsitzende des Rudervereins Hansa. Auf einem „Kiek ut‘s“, einem der zwei kleinen Aussichtspunkte, zerschnitt nun Bausenatorin ChristineWischer vorgestern zur Eröffnung das rote Band und war höchst angetan von dem sie umgebenden Grün und dem Blick auf Weser, Altstadt und Osterdeich. Nur die Mitglieder des Rudervereins standen mit angesäuerten Gesichtern dabei, besonders deshalb, weil zahlreiche Anwesende, einschließlich des Ortsamtleiters, mit dem Fahrrad anreisten. Charlotte Salow
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