: Schwere Füße
Präzis pochender Seelenapparat: „Confessions of Zeno“
Es gebe eine Szene bei Italo Svevo, sagte William Kentridge, in der ein Freund den anderen in ein lokales Geheimnis einweiht. Ich, sagt er, bin der intelligenteste Mann am Ort. Du kommst an fünfter Stelle. Die Positionen dazwischen sind zur Zeit nicht besetzt. Darin erkannte Kentridge die Situation in Johannesburg wieder, eine abgelegene, aber auch nicht exakt provinzielle Szene: Italo Svevos Triest um 1900. Gerade war Kentridges „Zeno Writing“ bei der documenta zu sehen: sämtliche Bilder, die sich der Künstler zwanzig Jahre nach seiner Svevo-Lektüre, aber immer noch von Johannesburg aus, in Erinnerung gerufen hat, in einen Film gepackt. Bei der Bühnenfassung entfalten sich die auf einem Bildschirm; sanfte Landschaften und Interieurs, durch die sich merkwürdige Gestalten bewegen. Ein Spinnenmann, bewegliche Stühle und als Sinnbild des in sich gefangenen Erzählers die schwere Figur, deren Füße beim Gang über den Horizont im Sand oder Nebel versinken. Die Gestalten sind die Schatten abstrakter Puppen, die von der Handspring Puppet Company bewegt werden. Umwerfend die Drehungen der Pappfiguren, die eine menschliche Figur in ein Gitter verwandeln: die so genannte Verdinglichung, hochkomisch auf den Punkt gebracht. Vor den Puppenspielern ergänzt ein leibhaftiges Streichquartett die ansonsten abwesenden Orchester und Chöre. Kentridges Theater ist genau die grenzübergreifende Medienkunst, von der alle träumen. Im Kern Handarbeit; aus Improvisation geschöpfte präzise Choreografie.ULF ERDMANN ZIEGLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen