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Der Nazi im Kuckucksbähnel

Im pfälzischen Erholungsort Elmstein feierte die NPD schon mal vor: Sie will den „Elmsteiner Hof“ kaufen und dort das „Aktionsbüro Südwest“ einrichten. Das gesamte Dorf ist entsetzt – man füchtet um den Ruf als idyllischer Ferienort

Aus Elmstein KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Bis vor ein paar Wochen war Elmstein ein Idyll. Ein „gutes Pflaster für Menschen, die abschalten und ausspannen wollen“, wie es im Prospekt des Fremdenverkehrsamtes heißt. Tief im Biosphärenreservat Pfälzer Wald, in einem romantischen Tal, liegt der „staatlich anerkannte Erholungsort“ Elmstein. Dort leben knapp 800 Menschen in putzigen Fachwerkbauten oder wuchtigen Steinhäusern mit Aussicht. Für die Urlauber aus ganz Deutschland und den Niederlanden stehen Ferienwohnungen und „Fremdenzimmer“ in fünf Gasthöfen bereit. Die Sommerfrischler schätzen vor allem die endlosen Wanderwege durch die Wälder rund um Elmstein – und die Ruhe in der beschaulichen Gemeinde.

Doch damit ist es vorbei. Am 29. Juli dieses Jahres dröhnte der harte Beat der Nazirockbands Tollschock, Celtic Warriors, White Law und Brigade M. durch das stille Tal. Im Elmsteiner Hof, einem heruntergekommenen komplexen Anwesen auf 1.600 Quadratmeter Grund, feierten an diesem Tag und noch die ganze Nacht rund 500 Skinheads und andere Anhänger der Jungen Nationaldemokraten (JN) den 32. Geburtstag des mehrfach vorbestraften NPD-Funktionärs Christian „Hehli“ Hehl.

Der Pitbullhalter war vor seinem Eintritt in die NPD Mitglied in gleich drei inzwischen verbotenen Neonaziorganisationen: der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP), der Nationalistischen Front (NF) und der Skinheadtruppe Blood and Honour. Die Polizei aus Neustadt an der Weinstraße sperrte an diesem Tag einfach die Zufahrtsstraßen nach Elmstein ab und ließ nur die braunen „Geburtstagsgäste“ passieren. „Auch so kann man einen Ort zur national befreiten Zone machen“, kommentierten danach Antifaschisten aus Mannheim sarkastisch den ersten Polizei-Großeinsatz in Elmstein. Die Skinheads durften übrigens am frühen Sonntagmorgen sturzbetrunken mit ihren Autos wegfahren – unbehelligt von der Polizei.

Für alle im Ort sei der ganze Event „ein Schock“ gewesen, sagt Bernd Elsner (55), der für die Grünen im Kreistag und im Parlament der Verbandsgemeinde sitzt. Und ein Vorgeschmack auf das, was zu erwarten ist, „falls wir nicht ganz schnell Mittel und Wege finden, um dem Treiben hier ein Ende zu bereiten“. Dass die NPD auf der Suche nach einem Gebäude für ein „Schulungszentrum“ (NPD) auch Interesse am Elmsteiner Hof der Familie Jung zeigte, wusste man in Ort schon seit dem Frühjahr. Doch dass dort ein Bundesvorstandsmitglied der JN bereits seit Anfang Juli sporadisch wohnt, war den Dörflern entgangen. Noch eine Woche vor der makabren Geburtstagsfeier der Neonazis hatten 300 Menschen an einer von allen Parteien in Elmstein, den Kirchen „und auch dem Forstamt“ organisierten Demonstration teilgenommen, erzählt Elsner beim Espresso in seinem Garten. Nicht einen Sympathisanten der NPD gebe es im Dorf. Dafür lege er seine Hand ins Feuer.

Doch statt Sympathisanten wohnt nun offenbar – wenigstens temporär – eine richtige Neonazigröße in Elmstein. Der ehemalige Hardcore-Skinhead Sascha Wagner (30) firmiert in der rechten Szene inzwischen als „Christian Worch des Südens“. Wagner pflegt für NPD und JN die „Auslandskontakte“. Er ist Chefredakteur der Nazirock-Zeitschrift Neue Doitsche Welle und organisiert überall in der Republik Konzerte mit rechtsradikalen Bands.

Bernd Elsner glaubt zu wissen, dass die NPD bereits einen Sponsor gefunden hat, der bereit ist, die 720.000 Euro für den Hof hinzublättern. Neben der NPD und den JN sollen sich auch bislang unabhängige rechtsextremistische Splittergruppen wie etwa die „Kameradschaft Ludwigshafen“ oder der „Nationale Widerstand Westerwald“ einmal am Betrieb der Einrichtung beteiligen, so Recherchen der Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz.

Was tun? Elsner will jetzt in der Region ein breites Bündnis gegen rechts schmieden. Und er ist sich sicher, „dass alle mitmachen, auch die Unpolitischen“. Denn mit dem Fremdenverkehr, von dem die Region doch lebe, sei es sicher schnell vorbei, wenn an den Wochenenden etwa die Museumseisenbahn „Kuckucksbähnel“ – die Touristenattraktion von Elmstein – regelmäßig mit Glatzen besetzt sei.

Freizeitbürgermeister Helmut Schmidt (SPD), ein pensionierter Polizeibeamter, hat der Familie Jung inzwischen ein Kaufangebot für den Hof unterbreitet: 270.000 Euro. Mehr könne die Gemeinde nicht bieten. Herr und Frau Jung, die mit dem Bürgermeister ohnehin über Kreuz liegen, sollen darüber nur gelacht haben, wissen ein paar Rentner vor der Bürgermeisterei zu berichten – und die Nationaldemokraten auch.

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