: Tischlein wechsel dich
Endlich etwas mit „Nutzwert“: Ein neues Magazin für die Mittagstische der Stadt
Es ist fast immer so bei neuen Dingen. Dass man vorher ohne sie auskommen musste, fällt einem erst auf, wenn man sie in den Händen hält. Das heißt noch nichts, interessant wird’s erst bei der Entscheidung: Bereicherung des Lebens oder Mülltonne? Wohl alles, was produziert wird, hat an dieser Hürde zu knabbern, und nicht zuletzt die Hochglanz-Druckerzeugnisse.
Ab Oktober kann die Stadt nun auf ein neues der bunten Stadtmagazine gespannt sein. „Mittags mal Anders“ heißt die Broschüre, die für jeden Tag die Mittagstische in der Innenstadt auflistet. „Wir sind nicht wie die anderen“, verkündet Herausgeberin Ulla Hitzelberger-Otto, „unser Magazin hat Nutzwert“. Und tatsächlich, das neue Heft listet die Angebote von zehn Restaurants für jeden Tag des Monats auf. Zwischen Curry vom Huhn (10,10 €) in der Alten Gilde und Seelachsstreifen (6 €) im Café Energie kann man sich da entscheiden, bei anderen Lokalitäten lässt sich leider bislang nur feststellen, was man sowieso schon weiß: „Täglich wechselnder Mittagstisch“ (Lemon Lounge) oder „Lunch offer“ (Sushi Factory) verkündet das Programm nicht gerade informativ.
Da werden sich „Mix“, „brilliant“ und wie die bunten Blätter sonst noch alle heißen, aber wundern. Von Veranstaltungstipps und Informationen wird man nämlich nicht satt. Die mehr als 50.000 Angestellten, die sonst täglich mit knurrenden Mägen durch die Innenstadt hetzen, können sich nun endlich schon am Arbeitsplatz darüber klar werden, dass Restaurants in ihrer Nähe wechselnde Mittagstische bereithalten.
Hinzelberger-Otto und Mitherausgeber Christian Humm sind aber optimistisch: Die Restaurants würden schon noch merken, dass es sich lohne, in ihrem Magazin aufgeführt zu sein, und ihre Menüpläne einen Monat im Voraus aufstellen. Immerhin 90 Lokale bieten in der Innenstadt einen Mittagstisch an.
Man wird sehen– erstmal jedenfalls ist der Platz in der 24-seitigen Broschüre mit viel Text ausgefüllt, der sich in Rubriken wie „Business & More“ oder „Lifestyle“ aufteilt. Produkte werden da vorgestellt, Landschaften, Heilmethoden, und auch van Gogh hat seinen Platz. Wer Lust hat, etwas über seine Einkommensverhältnisse und den Schulabschluss anzukreuzen, kann bei der Zielgruppenerhebung fürs Anzeigengeschäft sogar ein Essen im Gourmetrestaurant gewinnen. Das ist zwar nicht so viel, wie man sich gemeinhin bei der Wohngeldstelle erhoffen kann, aber man muss auch nicht ganz so viele Kreuzchen machen und braucht seinen Namen nicht direkt dazuzuschreiben. Nur, ob die Anzeigenkunden sich über „unter 2.000 EUR“ Netto-Haushaltseinkommen freuen werden?
Hosentaschenformat hat „Mittags mal Anders“, das im DIN A4-Querformat erscheint, nicht gerade, aber die Leute, die in der Innenstadt arbeiten, haben nach Hitzelberger-Ottos Vorstellungen „wohl Aktentaschen“.
Zu guter Letzt sollen aber auch die interessanten Informationen nicht ausgelassen werden: Die leckere Fischsuppe, die man sich nach abgedrucktem Rezept selber kochen kann, zum Beispiel. Und dann lässt sich den Zusatzinformationen zu den Restaurants noch entnehmen, dass man im „Cargo“ und im „Hillmann’s Garden“ bei einer Wartezeit, die mehr als 15 Minuten beträgt, zum Vorbestellten eingeladen wird. Das sollte man doch mal ausprobieren!
Lene Wagner
„Mittags mal Anders“ gibt es kostenlos in Restaurants, Theatern, Kinos und zu abonnieren unter 0421-4092202
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