: Zweiter Frühling für Obrigheim?
Im März 2003 läuft nach dem Atomkonsens die Betriebsgenehmigung für das älteste AKW Deutschlands in Obrigheim aus. Jetzt hat der Betreiber EnBW eine Verlängerung beantragt. Das hieße: Bis 2007 geht nur das AKW Stade vom Netz
von BERNWARD JANZING
Der Bundesregierung steht in den nächsten Wochen eine brisante Entscheidung ins Haus. Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) hat nach taz-Recherchen beantragt, das Atomkraftwerk Obrigheim, das laut Atomkonsens Anfang des Jahres 2003 stillgelegt werden muss, noch weiter betreiben zu dürfen. Sollte die Regierung dem Antrag zustimmen, ginge auch in der zweiten Wahlperiode von Rot-Grün – über den ohnehin schrottreifen Reaktor Stade hinaus – kein einziges Atomkraftwerk vom Netz.
Im ersten Quartal kommenden Jahres erlischt die Betriebsgenehmigung von Obrigheim, wenn spätestens im März der Reaktor sein Stromkontingent nach den Konsens-Vereinbarungen zum Atomausstieg erschöpft hat. Die Übertragung von Strommengen aus einem jüngeren Reaktor bedarf der Genehmigung des Bundesumweltministeriums (BMU). Somit hat Umweltminister Jürgen Trittin die Zukunft von Obrigheim in der Hand.
Doch wird Trittin wirklich hart bleiben? „Bisher liegt uns ein offizieller Antrag der EnBW nicht vor“, sagt BMU-Sprecher Michael Schroeren auf Anfrage der taz. Deshalb könne man auch noch nicht darüber entscheiden. Derzeit sei es gültige Rechtslage, dass Obrigheim im Frühjahr abgeschaltet werden muss. Einen möglichen Antrag auf Verlängerung werde man selbstverständlich „nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen“.
Der Antrag ist offenbar noch in der Post. „Die EnBW hat bereits einen Antrag auf Verlängerung des Betriebs gestellt“, sagt der Bürgermeister von Obrigheim, Roland Lauer. Überrascht ist davon in der Branche niemand. Denn die EnBW hatte stets erklärt, sie wolle Obrigheim länger als bis zur Erschöpfung der zugeteilten Strommengen betreiben. Die Kontingente sollen vom AKW Neckarwestheim kommen. Offiziell aber schweigt EnBW eisern zu dem Vorgang. Spekulationen, das Bundeskanzleramt habe schon frühzeitig der EnBW eine Verlängerung des Betriebes zugesichert, weist ein Sprecher des Kanzleramtes zurück: „Es gibt keine derartigen rechtsverbindlichen Abmachungen“. Aber gibt es inoffizielle Zusagen? Eine diesbezügliche Anfrage des BUND beim Kanzleramt blieb unbeantwortet.
Sollte die Regierung tatsächlich den Weiterbetrieb des Kraftwerks Obrigheim zulassen, wäre ihr heftigster Protest der Atomkraftgegner sicher: „Dann ist das Vertrauen in den Atomausstieg dahin“, sagt Klaus Traube vom BUND. Es sei „eine Katastrophe“, wenn in dieser Legislaturperiode lediglich Stade vom Netz gehe – „ein Reaktor, der sowieso stillgelegt werden sollte“. Denn als nächster Kandidat ist gemäß Ausstiegsfahrplan erst Biblis A im Frühjahr 2007 fällig – nach der nächsten Bundestagswahl.
Noch bleibt Gegnern der Atomkraft aber die Hoffnung, dass die bei der Wahl gestärkten Grünen nicht gleich in den ersten Monaten der Legislaturperiode ihre Wähler vor den Kopf stoßen werden. Einen indirekten Hinweis darauf, dass Trittin hart bleiben will, gibt BMU-Sprecher Schroeren: „Wenn über einen Antrag der EnBW entschieden wird, muss das natürlich auch unter Berücksichtigung des Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom Oktober 2000 geschehen.“ Das kam immerhin zu dem Ergebnis, dass dem Reaktor Obrigheim aufgrund von Versäumnissen des Landes Baden-Württemberg seit jeher eine rechtsgültige Genehmigung für den Dauerbetrieb fehlt.
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