: Die Quadratur des Wahlkreises
Initiative „Mehr Bürgerrechte“ wirbt mit Omnibus und Unterschriften für ein neues Wahlrecht in Hamburg.SPD und CDU sind skeptisch, die Unterstützung fürs Panaschieren und Kumulieren kommt vor allem von den kleineren Parteien FDP und GAL
von PETER AHRENS
Ein Bus fährt durch Hamburg. Er macht in diesen Wochen Station in zahlreichen Stadtteilen und wirbt dafür, dass diese schon bald Wahlkreise werden. „Das schlechteste Wahlrecht in Deutschland“, wie der frühere Chef des Landesrechnungshofes, Hermann Granzow, es genannt hat, soll zum besten der Republik werden. Dafür arbeitet seit dem Vorjahr die Initiative „Mehr Bürgerrechte“. Sie schickt zurzeit den „Omnibus für mehr Demokratie“ durch die Stadt, um Unterschriften für ihre Sache einzuholen und auf ihre Ziele aufmerksam zu machen: Hamburg soll in 17 Wahlkreise eingeteilt werden, ähnlich wie bei der Bundestagswahl hat die WählerIn zwei Voten zu vergeben: Ein Stimmzettel für den eigenen Wahlkreis, auf dem man DirektkandidatInnen wählt, einen zweiten für die Mandatsverteilung der Parteien.
Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst schon zur kommenden Bürgerschaftswahl den WählerInnen mehr Möglichkeiten der Mitbestimmung zu geben. So soll auch in Hamburg das in Süddeutschland übliche Kumulieren und Panaschieren in der Wahlkabine möglich sein. Das heißt: Auf jedem der beiden Wahlzettel dürfen bis zu fünf Kreuze gemacht werden: Alle fünf Stimmen können einer KandidatIn gegeben oder auf mehrere BewerberInnen einer oder mehrerer Parteien verteilt werden. Danach würde die Bürgerschaft nicht mehr nur mit Abgeordneten bestückt werden, die sich über die parteiinternen Listen abgesichert haben, sondern auch mit ParlamentarierInnen, die sich ihren Sitz über die Direktwahl geholt haben.
Für „Mehr Bürgerrechte“ liegen die Vorteile auf der Hand. Wahlkreise brächten „eine wesentlich stärkere Personalisierung“, wenn man zwischen mehreren KandidatInnen auswählen kann. Die Folge wäre „mehr Wettbewerb, so dass sich die Kanddiaten auch um mehr Bürgernähe bemühen müssen“. Da die Initiative auch die Fünf-Prozent-Klausel auf Bezirksebene abschaffen und auf Bürgerschaftsebene auf drei Prozent senken will, hätten auch kleinere Parteien eine Chance, „vor Ort Ansprechpartner“ zu sein.
An all dem hapert es zurzeit, beklagt die Initiative: „Wer heute bei einer Bürgerschaftswahl eine Partei ankreuzt, erfährt auf dem Wahlzettel nur die Namen des Spitzenkandidaten. Das erinnert an Wundertüten auf dem Jahrmarkt“, bemängeln Angelika Gardiner und Manfred Brandt, die Vertrauensleute der Initiative. Derzeit seien die Abgeordneten „für ihre Wiederwahl viel stärker vom Wohlwollen ihrer Parteioberen abhängig als vom Wahlvolk“. Mündigkeit und Selbstbewusstsein seien daher bei den ParlamentarierInnen nicht gefragt.
Brandt, Granzow und Gardiner zählen zu denjenigen, die im vergangenen Jahr die Initiative angeschoben haben. „Mehr Bürgerrechte“ legt Wert darauf, überparteilich zu sein. Doch ist deutlich, dass die großen Parteien SPD und CDU die Bemühungen der WahlrechtsreformerInnen mit erheblich mehr Misstrauen betrachten als ihre kleineren MitbewerberInnen FDP und GAL. Aus deren Reihen kommt unverblümte Unterstützung. Die nach Berlin wechselnde grüne Fraktionschefin Krista Sager freut sich, dass „die Diskussion um die Wahlrechtsreform endlich einen neuen Schub bekommt“. Auch der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Ekkehard Rumpf sagt für seine Fraktion, „durch Kumulieren und Panaschieren können Wähler ihren politischen Willen differenzierter ausdrücken“. Rückendeckung kommt aber auch von der früheren Bezirks- und Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD), die an Berlin als Vorbild erinnert. Und auch der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Hans-Peter Bull (SPD), heute Professor für öffentliches Recht an der Hamburger Universität, zählt zum UnterstützerInnenkreis.
Große Angst davor, dass sich die Ergebnisse durch die Einteilung in 17 Wahlkreise dramatisch ändern würden, müssen die Parteien nicht haben. Die Initiative hat mal durchgerechnet, wie die Bürgerschaftswahl des Vorjahres geendet wäre, wenn in Wahlkreisen abgestimmt worden wäre.
Bei den letztlich errechneten Mandaten käme die SPD auf 46 Sitze und die CDU auf 33; die Schill-Partei würde 25 Abgeordnete stellen, die GAL elf und die FDP sechs.
Das entspricht exakt der Zusammensetzung der aktuellen Hamburger Bürgerschaft.
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