: Vorrevolutionär
Musikfest Bremen in Bremerhaven: Paquito d‘Riveras perfekter Latin-Jazz im original Fifties-Ambiente
Es sollte eine kubanische Nacht sein – und Paquito d‘Rivera musste sich ständig selbst daran erinnern. Schließlich war ihm seine Heimatinsel schon vor 22 Jahren (nicht nur) musikalisch zu eng geworden. Im New Yorker Exil hat der Saxofon- und Klarinettenvirtuose die Musik aus seiner Heimat endgültig internationalisiert und mit dem Jazz so verwoben, dass man sie manchmal kaum mehr heraushört. Im Bremerhavener Designlabor trat er konsequenterweise mit einem All-Star-Team aus den USA, Argentinien, Peru, Curaçao und Israel an.
“Ich nenne sie die Vereinten Nationen – mit dem Unterschied, dass es bei uns funktioniert“, sagt der Solist, Komponist, Bandleader und Entertainer. Mit der Herkunft der Stücke nimmt er es auch nicht so genau: Eine Jazz-Version von Mozarts Klarinettenkonzert rechtfertigt der klassisch ausgebildete Holzbläser damit, dass Mozart eigentlich Kubaner aus „Salsaburg“ sei.
Da hatte er die Lacher auf seiner Seite. Die Herzen der Kuba-Fans hatte er schon vorher mit Tributes an verblichene Größen wie seinen Förderer Mario Bauzá und Bolero-König Beny Moré erobert. Mit verblüffender Leichtigkeit wechselte der Meister Tonlagen und Instrumente, die sich fast von selbst zu spielen schienen. Und auch die Ausnahmekönner an Trompete, Percussion, Schlagzeug, Bass und Piano bekamen reichlich Gelegenheit, ihr solistisches Können vorzuführen, das ganze angenehm unaufdringlich abgemischt.
Altistin Brenda Feliciano gab dem Abend mit voluminöser Stimme, Glitzerkleid und Stöckelschuhen noch einen Hauch vom Glamour des vorrevolutionären Kuba. Vor lauter Perfektion hätte es beinahe ein wenig langweilig werden können, hätte der Abend nicht noch einen ganz anderen „Star“ gehabt: Den Saal. Das alte Bremerhavener Schwimmbad, ein dem Abriss geweihtes Kleinod der 50er-Jahre-Architektur, ging mit dem gepflegten Bigband-Sound eine Symbiose ein, die dem Konzert etwas von einer unvergesslichen Zeitreise verlieh.
Paquito d‘Rivera war beeindruckt von dieser Art Bühne, trotz seiner über fünfzig Jahre Bühnenerfahrung: „Ich würde gerne wieder in einem Schwimmbad spielen.“ Das Publikum war ähnlicher Meinung: stehender Applaus zum Schluss.
Jan Kahlcke
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