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Die hohe Kunst versteckter Schläge

Bei seinem Auftritt in Berlin setzte sich Norman Mailer als Hemingway in Szene. Kritik an Bush reichte er nach

Sollten Sie jemals in die Verlegenheit kommen, für die Beantwortung einer wichtigen Frage – etwa die nach Krieg und Frieden oder die passende Abendgestaltung – ein Orakel zu benötigen, zögern Sie nicht und konsultieren Sie einfach eine Plastiktüte der Buchkaufhauskette Thalia. Unter der Aufforderung „Treffen Sie Hemingway“ lächelt der bärtige Weltenbummler dem Ratsuchenden milde entgegen. Nun denn. Vielleicht kann er uns Orientierung verschaffen in diesen stürmischen Tagen am Transatlantik, in denen ein falsches Wort genügt, um Freundschaften an den Rand des Nervenzusammenbruchs zu bringen.

Durch seine Nähe zum Schriftstellerpaar Scott und Zelda Fitzgerald kannte Hemingway die komplizierte Gemengelage von unterdrückten Ambitionen und schwelender Hassliebe nur zu gut. Die Dreiecksgeschichte zwischen ihm, dem Autor des „Großen Gatsby“ und dessen exaltierter Ehefrau bietet genügend Stoff, um daraus Beziehungsratgeber oder Dramen zu destillieren. Also nichts wie hin zu Hemingway.

Sein Statthalter auf Erden kam Freitag auf Einladung der American Academy und der US-Botschaft nach Berlin. Auf Krücken gestützt, mit seiner Schwerhörigkeit kokettierend, gab Norman Mailer zusammen mit seiner sechsten Frau Norris und George Plimpton eine szenische Lesung des Stücks „Zelda, Scott und Ernest“ in der Akademie der Künste zum Besten. Trotz fehlender Öffentlichkeitsarbeit war der Andrang gewaltig. Charlottenburger Kulturschickeria und amerikanische Community hofften auf ein Großereignis, eine Wochenendläuterung, mindestens.

Die Montage aus Briefen, Tagebucheintragungen und Büchern, die bereits in Amsterdam, Paris und Wien zur Aufführung gebracht wurde, beginnt in der gemeinsamen Pariser Zeit, als Partyeskapaden und Alkoholexzesse bei den Borer-Fieldings des Jazz-Zeitalters an der Tagesordnung waren. Doch was äußerlich als pralles Societyleben erscheint, ist in Wahrheit eine Ehehölle. Scott Fitzgerald (Plimpton), eifersüchtig wachend über seine geltungssüchtige Frau und vor Neid zerfressen über Hemingways wachsenden Erfolg, bittet diesen um Tipps bei Sexkrisen und Schreibblockaden.

Obwohl die Performance eigentlich nicht als solche bezeichnet werden kann, hört man mit wachsender Begeisterung diesem vielstimmigen Protokoll einer Auslöschung zu. Wie schon in „When we were Kings“, der Dokumentation über den legendären Kampf zwischen Mohammed Ali und George Foreman in Kinshasa, gelingt es Mailer und Plimpton meisterhaft, eine Dramaturgie des Niedergangs zu entwickeln. Doch statt einer sportlichen Heldentat gibt es hier nur die hohe Kunst der versteckten Schläge zu bewundern. Es trifft sich überdies gut, dass Norris Mailer der historischen Zelda dem Aussehen und Akzent nach ähnelt. In der anschließenden Diskussion bemerkt sie, dass sie sich mit dieser zu Unrecht dämonisierten Frau durchaus identifizieren könne. Schließlich leide auch ihre schriftstellerische Arbeit unter dem Schatten des großen Norman.

Der hingegen ist an diesem Abend unwillig, als Repräsentant des kritischen Amerika wohlfeile politische Statements abzugeben. Dies hatte er sich für eine eigens dafür einbestellte Pressekonferenz am nächsten Tag reserviert. Statt hemingwayschem Khaki trug er dann ein blaues Sakko und raunzte in den Strauß der Mikrofone, dass George W. Bush längst zum Spielball der Falken in Washington geworden sei. Auch hier nahm man die Sprüche des Orakels dankbar entgegen. JAN ENGELMANN

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