: Das freundliche Gesicht des Regimes
Vizepremier Tarik Asis ist ein loyaler Diener Saddam Husseins. Eine eigene Machtbasis im Irak hat er nicht
Manche bezeichnen ihn als Samthandschuh über der eisernen Faust des irakischen Diktators. Redegewandt und kosmopolitisch verhandelt der irakische Vizepremier Tarik Asis nun schon seit mehreren Jahrzehnten auf internationalem Parkett im Namen Saddam Husseins, wenn er nicht gerade dabei ist, gegenüber den westlichen Medien Überzeugungsarbeit zu leisten. Asis ist einer der wenigen Iraker, der sowohl mit den Winkelzügen der Gedanken seines Chefs als auch mit den internationalen diplomatischen Gepflogenheiten intim vertraut ist. Als Bindeglied zwischen Saddam Hussein und dem Rest der Welt hat er sich stets als effektiver Diener seines Herrn erwiesen.
In den Achtzigerjahren war es Asis, der seinem Regime ausreichende westliche Unterstützung für den Krieg mit dem Iran sicherte. Genauso wie er in den Neunzigerjahren den Westen und das UN-Sanktionsregime eloquent in Frage stellte. Auch jetzt arbeitet der zungenfertige und geistreiche irakische Vizepremier wieder durch Interviews, Pressekonferenzen und als Reisediplomat schwer daran, die amerikanischen Kriegspläne durch Argumente zu durchkreuzen. Freund wie Feind zollen dabei seiner Überzeugungskraft Respekt. Selbst der ehemalige US-Präsident Bush senior konnte einst nicht umhin, den „guten Stil“ des Irakers zu loben.
Vor 66 Jahren in der Nähe des nordirakischen Mosul geboren, hat Asis sein Handwerk zunächst als Student „englischer Literatur“ an der Bagdader Akademie für schöne Künste gelernt. Als Baath-Parteiaktivist frühester Stunde und seit den Fünfzigern als Vertrauter Saddam Husseins, wurde er nach der Machtübernahme seiner Partei Chefredakteur der Parteizeitung Al-Thawra. Ehemalige Kollegen bestätigen: Tarik Asis könnte einem jederzeit „ein Glas Wasser als ein Glas Gin andrehen“. Eine Qualität, die ihn dann womöglich 1973 für sein erstes hohes Regierungsamt als Informationsminister auszeichnete.
Wer allerdings meint, dass das freundliche Gesicht des irakischen Regimes eines Tages den zurückgezogenen Saddam ersetzen könnte, dürfte sich täuschen. Zum einen: Das Bild des netten Diplomaten hat seinen Kratzer. In einem Interview rechtfertigte Asis einst den Einsatz chemischer Waffen gegen den Iran als „Recht auf Selbstverteidigung gegen die rückständigen iranischen Barbaren“.
Was aber noch wichtiger ist: Tarik Asis’ Loyalität gegenüber Saddam Hussein war nie in Frage gestellt. Als chaldäischer Christ, einst mit dem Namen Michail Yuhanna geboren, bevor er seinen arabischen Namen annahm, hat er im Irak mit einer muslimischen Bevölkerung von 96 Prozent keine Machtbasis. Auch wenn Asis hohe Ämter bekleidet und im allmächtigen Revolutionsrat sitzt, aus dem inneren Machtzirkel von Saddam Husseins Takriti-Clan blieb Asis immer ausgeschlossen. Ohne den irakischen Despoten wäre der silberhaarige Grandseigneur, mit einer Vorliebe für kubanische Zigarren, ein Nichts.
Das Verhältnis Saddam/Asis ist immer eine Einbahnstraße geblieben. Das hat nicht zuletzt der Golfkrieg bewiesen. Damals war Asis daran gescheitert, seinen Chef davon zu überzeugen, Iraks Truppen aus Kuwait zurückzuziehen. Am Ende zogen beide gemeinsam Seite an Seite mit wehenden Fahnen in die „Mutter aller Schlachten“.
KARIM EL-GAWHARY
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen