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Als Bin Laden mal auf der Autobahn fuhr

Der 3. 10. ist auch Tag der offenen Moschee. Grund genug für Muslime, vor pauschalen Verdächtigungen zu warnen

BERLIN taz ■ Er ist der meistgesuchte Mann der Welt. Und wie das so ist mit Topterroristen, werden diese auch gerne mal gesichtet, wo sie vermutlich noch nie waren. Ein Busfahrer zum Beispiel meinte vor ein paar Monaten auf der deutschen Autobahn im Vorbeifahren Ussama Bin Laden erspäht zu haben – in voller Pracht, mit Turban und Bart. Er alarmierte die Polizei.

Das Drama nahm seinen Lauf. Schwer bewaffnet stürmten wenig später Polizisten eine Frankfurter Moschee. Die Auslese des Einsatzes, der wegen „Gefahr im Verzug“ 56 Stunden, also mehr als zwei Tage, ohne richterlichen Beschluss auskam: ein gestohlenes Autoradio, kein Ussama.

Zynisch betrachtet wäre es vielleicht nur eine Anekdote, die Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), gestern anlässlich des übermorgen stattfindenden „Tags der offenen Moschee“ erzählte – würde sie sich nicht einreihen in eine ganze Serie unverhältnismäßiger Polizeieinsätze. Seit dem 11. September 2001, konstatiert Elyas, sähen sich die 3,2 Millionen Muslime in Deutschland „pauschal beschuldigt und durch Rasterfahndung kriminalisiert“. Moscheen würden „leichtfertig durchsucht und hemmungslos entwürdigt“ – mit Hundertschaften von Polizisten, mitten in der Nacht und unter Missachtung islamischer Feiertage oder Gebräuche. Das zu erleben, verletze die Gefühle jedes Muslims in Deutschland. „Wenn aber Menschen an den Rand gedrängt werden, droht die Entstehung von Parallelgesellschaften“, sagte Nadeem Elyas.

Der Zentralrat, der als Dachverband etwa zehn Prozent der organisierten Muslime in Deutschland vertritt, sicherte aber auch seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Behörden zu. Ein Rechtsstaat müsse „wehrhaft“ sein, sagte Elyas. Nicht nur der ZMD sei „gerne bereit“, bei der Suche nach islamischen Extremisten „mit dem Staat und Personen des öffentlichen Lebens zusammenzuarbeiten“. Es sei „auch islamische Bürgerpflicht, alle Auffälligkeiten den Behörden zu melden“. Damit entspricht Elyas einer Forderung des Innenministers Otto Schily, der kürzlich die stärkere Kooperation der Muslime einforderte. Was die Ermittlungen in Moscheevereinen angeht, empfahl Elyas, stärker mit verdeckten Ermittlern zu arbeiten. „Wir sind nicht gegen die rechtmäßige Verfolgung von Straftätern, sondern gegen den maßlosen Einsatz der Mittel.“

Über 1.000 Moscheen in ganz Deutschland werden am Tag der Deutschen Einheit ihre Pforten für alle interessierten Besucherinnen und Besucher öffnen. Das Motto: „Muslime – mitten in der Gesellschaft“. JEANNETTE GODDAR

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