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„Nur Brasilien ist noch schlechter“

Es sieht nicht so aus, als würde der Deutsche Aktienindex bald wieder steigen, meint Petra von Kerssenbrock, Analystin bei der Commerzbank. Niedrigere Zinsen könnten helfen. Die derzeitige Steuerdiskussion hingegen ist Gift für die Börsen

Interview SUSANNE KLINGNER

taz: Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, spricht von einem DAX-Crash. Sie auch?

Petra von Kerssenbrock: Ich hab etwas gegen so plakative Wörter. Seit März 2000 befindet sich der DAX in einer Abwärtskrise, seit Mai ging es dann beschleunigt runter. Mitte Juli hat der DAX ein Verkaufssignal gegeben – das heißt, er hat eine Marke durchbrochen, die bis dahin als Untergrenze galt. Dann ging es weiter abwärts. Zurzeit befindet er sich im Niemandsland.

Geht es jetzt wieder aufwärts oder wird er noch weiter fallen?

Ich wüsste nicht, warum der DAX zurzeit wieder steigen sollte. Dazu müsste er entweder so weit sinken, dass alle Anleger wieder einsteigen – oder sich auf einer bestimmten Höhe stabilisieren. Die Konjunktur lahmt aber nach wie vor. Der DAX ist im internationalen Vergleich der zweitschwächste Index. Nur Brasilien ist noch schlechter. Hinzu kam die Unsicherheit vor der Wahl.

Wie groß ist der Einfluss der Irakkrise auf den DAX?

Die Amerikaner sind verärgert, das spiegelt sich an den Kapitalmärkten wider. Aber die Irakkrise ist trotzdem nur ein Faktor wie die anderen. Vorrangig ist vor allem die Unsicherheit im Markt über das, was kommt.

Und wenn diese Sicherheit, also ein Irakkrieg, eintritt?

Das kommt darauf an, ob es wie beim Golfkrieg 1991 zu einem schnellen Erfolg der Amerikaner kommen wird. Dann würde der Druck auf die Märkte verschwinden und sich sicherlich auch der DAX erholen.

Was kann den DAX wieder steigen lassen?

Eine lockere Geldpolitik, wie wir sie in den USA gesehen haben, auf Kosten des Haushaltsdefizits hat sicherlich zur Stärke der amerikanischen Aktienmärkte geführt. Die Europäische Zentralbank sollte die Zinsen senken. Aber man muss da vorsichtig sein. Es herrscht eine Vertrauenskrise. Die Konjunktur müsste anspringen, dann würden die Aktien wieder steigen.

Gibt es auch politische Entscheidungen, die dem DAX jetzt helfen könnten?

Steuerdiskussionen schaden in jedem Fall. Ebenso Interventionen wie im Fall von Mobilcom. Aber die Europäische Zentralbank ist politisch unabhängig, deswegen ist der Einfluss der Politik gering.

Sind die aktuellen Werte realistisch oder sind die Aktien des DAX unterbewertet?

Beim Neuen Markt hat man gesehen, dass Emotionen beim Aktienkauf eine große Rolle spielen. So wie Euphorie beeinflusst auch Angst und Unsicherheit die Anleger. Weil die Anleger immer wieder belogen wurden, um es drastisch zu formulieren, haben sie kein Vertrauen mehr. Die Anleger, vor allem Kleinanleger, machen keinen Unterschied mehr, ob es ein Nemax-Titel, ein Dow-Jones-Titel oder ein DAX-Titel ist.

Würden Sie jetzt Aktien kaufen?

Nein.

Sondern?

Ich investiere mein Geld in meine Kinder. Ansonsten würde ich zu sicheren Anlagen raten, zum Beispiel zu Staatsanleihen.

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