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Körting hat zu kurzen Arm

Die Weisungen der Innenverwaltung an die Ausländerbehörde, häufiger zu Gunsten von Migranten zu entscheiden, finden – wie im Fall Mehmet O. – kein Gehör. Grüne sprechen von Skandal

von HEIKE KLEFFNER

Die Kritik am selbstherrlichen Umgang der Ausländerbehörde mit Weisungen von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) reißt nicht ab. Der Vorwurf: Die Beamten legen Anweisungen, die der Behörde einen Ermessensspielraum lassen, in der Regel zu Ungunsten der betroffenen Flüchtlinge und Migranten aus. Das jüngste Beispiel, das inzwischen auch den Petitionsausschuss beschäftigt, betrifft eine Weisung, die nach Angaben der Innenverwaltung in beinahe unveränderter Form schon seit 1991 in Kraft ist und den Aufenthaltsstatus von Ausländern nach der Heirat mit einem deutschen Partner festlegt. „Manchmal entsteht der Eindruck, dass die Ausländerbehörde bei binationalen Ehen grundsätzlich davon ausgeht, es handele sich um Scheinehen“, sagt Özcan Mutlu, migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

Die Weisung mit dem Aktenzeichen B. 8. A. 1 und dem sperrigen Titel „Aufenthaltsgenehmigung in den Fällen der nachträglichen Eheschließung“ umfasst nur wenige Absätze. Sie findet immer dann Anwendung, wenn der nichtdeutsche Ehepartner zum Heiratstermin keinen gültigen Aufenthaltstitel mehr vorweisen kann. In der Regel werden die Betroffenen dann von der Ausländerbehörde aufgefordert, Deutschland zu verlassen und bei der Deutschen Botschaft im Heimatland die Familienzusammenführung zu beantragen.

„In Einzelfällen dauert es länger als ein halbes Jahr, bis die Betroffenen wieder nach Deutschland einreisen dürfen“, sagt Rechtsanwalt Peter Meyer. „Für die Ehepartner ist das mit hohen Kosten und viel Unsicherheit verbunden.“ Genau das sollte eigentlich durch die Weisung vermieden werden. Dort heißt es explizit: „Ausländern, die sich weder rechtmäßig noch geduldet im Bundesgebiet aufhalten, kann nach Eheschließung mit einem Deutschen (…) die Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn sie erlaubt eingereist sind.“

Im Fall von türkischen Staatsangehörigen bedeutet dies, dass sie mit einem Visum nach Deutschland eingereist sein müssen. So wie der 23-jährige Mehmet O. (Name der Redaktion bekannt), der im Frühjahr 2001 nach Berlin kam und nach dem Ablauf seines Visums im Sommer 2001 seine deutsche Freundin heiratete, mit der er zuvor schon zusammengelebt hatte. Der Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung wurde von der Ausländerbehörde prompt abgelehnt. Das Amt teilte nicht einmal mit, warum eine positive Ermessensentscheidung auf der Grundlage der Weisung B. 8. A. 1 nicht möglich ist. Jetzt droht Mehmet O. die Abschiebung. Seine letzte Hoffnung ist der Petitionsausschuss, dem sein Fall vorliegt.

Für Özcan Mutlu ist der Fall „ein Skandal“. Er kritisiert zudem, dass die Innenverwaltung die Weisung „klammheimlich“ im Juni verändert habe. Während es zuvor noch unmissverständlich hieß, dass „zu Gunsten des Ausländers (…) eine positive Ermessensentscheidung (…) zu treffen“ sei, ist in der veränderten Weisung die Rede davon, dass „zu Gunsten des Ausländers – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – (…) gegebenenfalls eine positive Ermessensentscheidung (…) getroffen werden“ könne.

Der PDS-Abgeordnete Giyas Sayan kritisiert, dass sich Innensenator Ehrhart Körting (SPD) „wieder einmal dem Druck der Ausländerbehörde gebeugt hat“. Der grundgesetzlich verankerte Schutz von Ehe und Familie werde willkürlich außer Kraft gesetzt.

Die Anwälte der Betroffenen vermuten, die Ausländerbehörde versuche mit der veränderten Weisung eine Rechtsgrundlage für einen Status quo zu schaffen, den sie jahrelang – entgegen der bis zum Juni 2002 gültigen Weisung – praktiziert hat.

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