: Allein gegen den Rest der EU
Die Bundesregierung stemmt sich gegen das neue Firmen-Übernahmegesetz der EU-Kommission. Berlin sieht Benachteiligung deutscher Firmen und ist damit in der EU isoliert. Das VW-Gesetz soll Bestand haben, könnte aber leicht kassiert werden
von DANIELA WEINGÄRTNER
Gegen die Stimmen der deutschen Kommissare Michael Schreyer und Günter Verheugen hat die EU-Kommission am Mittwoch das neue Firmen-Übernahmegesetz verabschiedet. Damit ist ein neuer Konflikt zwischen Bundesregierung und EU-Kommission vorprogrammiert. Aus Sicht der deutschen Regierung bestehen erhebliche Zweifel, ob der Gesetzentwurf dem Anspruch fairer Wettbewerbsbestimmungen gerecht wird. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, sprach bereits von einer Benachteiligung deutscher Unternehmen.
Der erste Versuch, eine so genannte Übernahmerichtlinie durchzusetzen, war nach zwölf Jahren Verhandlungen im Juli 2001 im Europäischen Parlament gescheitert. Deutsche Abgeordnete ließen den Kompromiss platzen, den andere Parlamentsvertreter zuvor im Vermittlungsausschuss mit ausgehandelt hatten.
Der neue Vorschlag, den Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein am Mittwoch im Rechtsausschuss des Europaparlaments vorstellte, wird von der sozialdemokratischen EP-Abgeordneten Evelyne Gebhardt heftig angegriffen: „Bolkestein hat nichts begriffen, er ist offensichtlich nicht lernfähig.“ Die Abgeordnete kritisiert vor allem, dass auch innerhalb der EU weiterhin keine Chancengleichheit hergestellt werde.
Auch nach dem neuen Entwurf sind so genannte Vorratsbeschlüsse verboten, die das deutsche Recht seit Jahresanfang ausdrücklich erlaubt. Dabei handelt es sich um einen Blankoscheck, den sich der Vorstand eines Unternehmens von der Hauptversammlung der Aktionäre ausstellen lassen kann. Er darf dann Übernahmeversuche abwehren, ohne erst die Zustimmung der Anteilseigner einholen zu müssen.
Mit diesem Trostpflaster, das neue EU-Gesetz erst 2007 anwenden zu müssen, wird sich die Bundesregierung wohl ebenso wenig zufriedengeben wie mit der Zusage Brüsseler Rechtsexperten, das VW-Gesetz sei davon nicht betroffen. Dieses garantiert dem Land Niedersachsen, bei einem Aktienanteil von knapp 20 Prozent, ein Mitspracherecht bei allen Unternehmensentscheidungen. Da der Europäische Gerichtshof in einem Urteil Sonderstimmrechte als nicht zulässig erklärt hat, könnte die Kommission auf diesem Weg das VW-Gesetz jederzeit kippen. Dagegen dürfen – was die Bundesregierung besonders erbittert – die Skandinavier ihre Mehrfachstimmrechte behalten.
Das Verfahren, einer Unternehmerfamilie trotz geringer Aktienbeteiligung ein Mitspracherecht zu sichern, ist in den nordischen Ländern gang und gäbe. In Schweden etwa betrifft es 60 Prozent aller Aktiengesellschaften. Auch die so genannte Goldene Aktie, die in zahlreichen südeuropäischen Staaten den Einfluss des Staates auf teilprivatisierte Unternehmen sichert, will die EU-Kommission nicht antasten. Gegen die Skandinavier und Südeuropäer steht die Bundesrepublik nun isoliert da.
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