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„Sie wollen wissen, wozu man die EU braucht“

Simon Wilson vom NGO-Dachverband „Social Platform“ über die Probleme der Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Konvent

taz: Konventspräsident Giscard d’Estaing hat das Ende der „Phase des Zuhörens“ verkündet. Hat der Konvent denn der Zivilgesellschaft zugehört?

Simon Wilson: Es lief langsam an, bis wir die richtigen Kontakte hatten und Gelegenheit zu Treffen bekamen. Aber bei dem Hearing im Europaparlament im Juni kam ein Dialog mit Konventsmitgliedern zu Stande. Das heißt aber noch lange nicht, dass unsere Anliegen auch wirklich im Konvent aufgegriffen werden.

Die Laekener Erklärung, die die Staats- und Regierungschefs im Dezember 2001 verabschiedeten, hat einen gewaltigen Dialog initiiert – tausende von Organisationen diskutieren jetzt im Internet über die Zukunft Europas. Ist das ein vielversprechendes Konzept?

Die Erklärung war von dem Ehrgeiz getragen, Europa seinen Bürgern wieder näher zu bringen. Die Realität ist aber enttäuschend – zum Beispiel das Bürgerforum, das fast nur im Internet stattfindet. Viele unserer Mitgliedsorganisationen in den Ländern wissen bis heute nicht, worum es bei dieser Debatte geht. Das verlangt Aufklärungsarbeit von uns – aber es kann auch dem Konvent nicht gleichgültig sein.

Aber wenn Sie bedenken, wie viele Organisationen sich an dieser Diskussion beteiligen – wie könnte sie anders geführt werden als im Internet?

Die Website ist sehr wichtig – für diejenigen, die schon ungefähr wissen, worüber diskutiert wird. Wir müssen aber den engen Expertenrahmen von Brüssel verlassen und in den nächsten Monaten mit nationalen Organisationen, mit Gewerkschaften und interessierten Bürgern ins Gespräch kommen.

Ist in Ihren Augen das wichtigste Ziel des Konvents, dass dieses Gespräch zwischen Brüssel und den EU-Bürgern in Gang kommt, oder dass ein reformierter, lesbarer Verfassungsvertrag erarbeitet wird?

Die Regierungschefs haben in Laeken viele Fragen zur Architektur des Hauses Europa gestellt, zur künftigen Arbeitsweise der Institutionen. Aber wir müssen realistisch sein: Die Leute interessiert viel mehr, welche Vorteile die EU ihnen bringt als wie sie konstruiert ist. Sie wollen nicht wissen, wie man das Haus neu aufbaut, sondern wofür es überhaupt gebraucht wird. Der neue Vertrag muss ein deutliches Bekenntnis zum sozialen Europa enthalten. Natürlich brauchen wir gleichzeitig auch durchschaubarere politische Prozesse – beides muss Hand in Hand gehen.

Sie haben in einem offenen Brief an Giscard d’Estaing gefordert, dass die „Kontaktgruppe Zivilgesellschaft“ regelmäßig mit dem Konventspräsidium zusammentreffen kann. Wie hat der Präsident reagiert?

Wir treffen regelmäßig mit Vizepräsident Dehaene zusammen, der im Präsidium den Dialog mit der Zivilgesellschaft koordiniert. Jetzt, wo die Phase des gegenseitigen Zuhörens beendet ist, beginnen wir mit der konkreten Arbeit. Letzte Woche haben wir mit dem deutschen Präsidiumsmitglied Klaus Hänsch gesprochen. Dabei ging es genau darum, wie im neuen Verfassungsvertrag die Balance zwischen wirtschaftlichen und sozialen Elementen hergestellt werden kann.

INTERVIEW: DANIELA WEINGÄRTNER

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