: Inspektoren an die Front?
Sicherheitsrat berät Entsendung von Waffenkontrolleuren in den Irak. Maximalforderung der USA nicht mehrheitsreif
aus Genf ANDREAS ZUMACH
Der UNO-Sicherheitsrat ist am Donnerstagmittag (Ortszeit New York) zu einer Sitzung über das weitere Vorgehen in der Irakfrage zusammengetreten – bei immer noch deutlich kontroversen Positionen seiner fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Zu Beginn der Sitzung erstattete der Chef der UN-Waffenkontrollkomission (Unmovic), Hans Blix, Bericht über die nach seiner Darstellung „erfolgreichen“ Gespräche, die er am Montag und Dienstag in Wien mit Vertretern der irakischen Regierung geführt hatte.
Irak habe, so Blix, verbindlich und vorbehaltlos zugesagt, sämtliche Auflagen und Bestimmungen für Rüstungsinspektionen aus den bisherigen Irakresolutionen des Rates unverzüglich umzusetzen. Blix will entsprechend dem in diesen Resolutionen vorgesehenen Zeitplan Mitte Oktober mit einer Vorhut der Unmovic in den Irak reisen. In maximal weiteren 60 Tagen sollen alle noch erforderlichen Abklärungen für künftige Inspektionen getroffen werden. Danach könnten die eigentlichen Inspektionen beginnen. Blix hält es für möglich, dass die Inspektionen – die volle, uneingeschränkte Kooperation Iraks vorausgesetzt – in maximal einem Jahr beendet werden können.
Die USA und Großbritannien hingegen wollen Blix’ Reise Mitte Oktober verhindern. Beide Länder verlangen, dass der Sicherheitsrat zuvor eine neue Irakresolution verabschiedet mit neuen Forderungen und Auflagen an Bagdad, verschärften Rahmenbedingungen für künftige Inspektionen sowie der Androhung militräischer Maßnahmen. Ihren Entwurf dafür, der in wesentlichen Punkten bereits in den letzten Tagen durchsickerte (siehe taz vom 30. 9.) wollten die USA und Großbritannien gestern offiziell dem Rat vorlegen. Der unbeschränkte, sofortige und bedingungslose Zugang zu allen Orten und Personen, die die Inspektoren besuchen wollen, soll darin festgeschrieben werden – im Unterschied zu den Wiener Vereinbarungen auf Grundlage der bisherigen UN-Resolutionen, die den Besuch von Saddam Husseins Palästen nur nach Anmeldung und in Begleitung von Diplomaten zulassen. Zu den verschärften Rahmenbedingungen gehört die Forderung, dass die Unmovic nach Bedarf jederzeit Transitkorridore für ihre eigenen Mitglieder sowie Flug- und Fahrverbotszonen für irakische Sicherheitskräfte einrichten und andere Einschränkungen der Kontrolle Bagdads über das irakische Territorium festlegen kann. Auch fehlt jeglicher Hinweis auf die „Anerkennung der staatlichen Souveränität und territorialen Integrität Iraks“.
Diese Formel ist sowohl in sämtlichen bisherigen Irakresolutionen enthalten wie auch in dem Alternativentwurf, den Frankreich gestern offiziell vorlegte. Er verlangt „Iraks Unterstützung für die Unmovic“, enthält aber keine neuen Auflagen und keine Androhung militärischer Maßnahmen. Erst wenn Irak gegen seine Verpflichtung „verstößt, soll der Rat erneut zusammentreten, um weitere Maßnahmen zu beraten“.
Mit einer Abstimmung bereits auf der gestrigen Sitzung wurde nicht gerechnet. Ein Votum über den amerikanisch-britischen Entwurf hätte, angesichts des anhaltenden Widerstandes der drei ständigen Ratsmitglieder Frankreich, China und Russland sowie erheblicher Bedenken bei einer Mehrheit der zehn nichtständigen Mitglieder, London und Washington eine deutliche Niederlage beschert. Der französische Entwurf könnte zur Grundlage werden für einen Kompromissantrag, über den in den nächsten Tagen oder Wochen abgestimmt werden könnte.
Unklar war gestern vor Beginn der Sitzung, wie die USA eine Reise von Blix mit einer Unmovic-Vorhut in den Irak verhindern wollen. Formal braucht der Rat für eine solche Reise kein ausdrückliches Mandat zu erteilen. Umgekehrt würde ein Antrag Washingtons und Londons, diese Reise ausdrücklich zu untersagen, nicht die erforderliche Mehrheit von mindestens 9 der 16 Ratsmitglieder erhalten und höchstwahrscheinlich auf mindestens ein Veto entweder Chinas, Russlands oder Frankreich stoßen.
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