: Blut und Kaffee auf Leinwand
Joseph Beuys hatte ein Faible für die Interaktion verschiedener Materialien und experimentierte damit. Das Horst-Janssen-Museum in Oldenburg zeigt die frühen Werke des Künstlers: Vorläufer seiner späteren Installationen
Der Mann mit dem Schlapphut verspritzt in Oldenburg „besondere Säfte“. So titelt das Horst-Janssen-Museum eine Schau mit frühen Werken des 1986 verstorbenen Joseph Beuys. Gezeigt werden Arbeiten aus der Sammlung der Brüder van der Grinten aus den Jahren 1942-1963, die in der Stiftung Schloss Moyland Zuhause sind.
Was denn Beuys und Janssen gemein hätten, beantwortet die wissenschaftliche Leiterin des Museums, Dr. Jutta Moster-Hoos, mit der zentralen Stellung der Zeichnung im Werk der beiden. Bei genauem Hinsehen kann das aber - schon des Ausstellungstitels wegen – nicht Stand halten. Denn die Blätter bereiten vor, was später in den Installationen des Joseph Beuys zum bestimmenden Thema gereift ist: Das Material und seine Verwandlung, das Thema als Metamorphose.
Beuys nahm Tee und Blut, Kaffee und andere Säfte als Malmaterial. Auch der ein oder andere Fettfleck glänzt schon auf den frühen Blättern. Was ihn offenbar interessierte war die Interaktion der Materialien: Wie diffundiert der Tee durchs Blatt, welche Strukturen hinterlassen kapillare Wanderungen auf Papier? Sozusagen das zwingend naturhafte dieser Prozesse, und dass dabei Formen entstehen, als geleiteter Zufall, die dann wieder Natur, Elementares anschaulich machen. Das ist der Prozess, von dem diese Blätter sprechen.
Die Zeichnung kommt erst nachträglich hinzu: Da umfasst ein Bleistift den weiblichen Akt, der Strich franst aus, verliert sich in der Feuchtigkeit der Figur. Es ist eher der Körper als Volumen, dem Beuys sich hier nähert, der vom zeichnerischen Strich nur noch mal domestiziert wird. Er ist die Abstraktion vom Körper.
Der „Kopf“ (1957) ist eine schwarze molluskenartige Masse, ein Aquarell, dessen undurchsichtige Dichte plastische Körperlichkeit suggeriert. Immer wieder auch arbeitet Beuys auf linierten, bedruckten, abgerissenen, bekleckerten, jedenfalls irgendwie vorstrukturierten Papieren, was längst modisch ist. Er lässt Struktur und Material aufeinanderprallen und in bräunlich-gräulicher Kargheit zu kompositorischer Einheit finden. Da liegt dann eine gekrickelte Notiz unter der Wasserfarbe, bringt räumliche Struktur, zweite Ebenen, die von der malerischen Geste selbst nicht angelegt sind.
Seine figürlichen Erzählungen kreisen um mythologische Themen, die von der Verwandlung des Lebens, seinem Ursprung und seinem Übergang in den Tod sprechen. Das natürliche Material selbst – der Tee, die Farbe – ergießt sich über die Kapillaren des Blattes in die Form, Natur erlebt ihre Metamorphose vom Stofflichen ins Sinnhafte. Dafür stehen als Bildgehalt die gebärende Frau oder Tiere aus der keltischen Mythologie.
Material und Form also decken sich thematisch: Es geht stets um die Umwandlung als natürliches Prinzip. Elch und Hirschkuh tragen die Toten ins Jenseits, wie auf den Blättern „Elch und Faunesse“ (1957). Und der Hase fehlt auch nicht, dieses empfindliche Tier, das Beuys dem Menschen so ähnlich findet: Fluchtinstinkt und Bodenhaftung inbegriffen.
In diesen mythologischen Kontexten wirken die Themen der naturhaften Umwandlung, des Weiblich-Generativen aus der zeitlichen Distanz etwas verquarzt ideologisch. Material und monochrome Farbigkeit gemahnen tatsächlich – wie die Themenzusammenstellung – an die Palette der Anthroposophie. Tatsächlich soll der Regenbogen als Gegenbild zu Grau und Braun im Auge des Betrachters entstehen. Und auch wenn man darauf vergeblich wartet, sind diese frühen Arbeiten als zarte Anflüge von Etwas eine bezaubernde Herausforderung für die Sinne.
Marijke Gerwin
„Besondere Säfte“ ist noch bis zum 3. November zu sehen.
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