piwik no script img

Überholte Privilegien

Das Verfassungsgericht hat seine Meinung zum Ehegattensplitting schon oft geändert

FREIBURG taz ■ In den restaurativen 50er-Jahren wurden Eheleute wie eine Person besteuert. Ziel der Regelung war, die Erwerbstätigkeit der Ehefrau zu entmutigen. Die Ehefrau sollte „ins Haus zurückgeführt“ werden, um Ehen zu stabilisieren. Damals wurden die Einkommen von Mann und Frau zusammengezählt und dann erst dem Fiskus unterworfen. Da bei höheren Einkommen aber auch ein höherer Steuersatz gilt, waren Doppelverdiener nach dem Eheschluss schlechter gestellt als vorher.

Darin sah Karlsruhe 1957 einerseits eine Benachteiligung der Ehe gegenüber Unverheirateten, andererseits einen Verstoß gegen die Gleichberechtigung. Das Gericht hat damals allerdings nicht die Einführung des Ehegattensplittings gefordert. Es hat lediglich festgestellt, dass ein Splitting der Einkünfte von Mann und Frau „verfassungsrechtlich unbedenklich“ sei. Möglich wäre auch die Getrenntbesteuerung gewesen.

Der Bundestag entschied sich 1958 jedoch für das Ehegattensplitting. Nun wurde also nicht mehr die Doppelverdienerehe benachteiligt, sondern die Hausfrauenehe bevorzugt. Auch die Begründung klang nun etwas freundlicher: Das Splittingverfahren sei eine „besondere Anerkennung der Aufgabe als Hausfrau und Mutter“. Diese Argumentation billigte Karlsruhe in einem Urteil aus dem Jahr 1982.

Damals klagten Alleinerziehende auch für sich und ihre Kinder ein Splittingverfahren ein. Das Verfassungsgericht beschränkte das Splitting nun zwar weiterhin auf die Ehe, ordnete jedoch eine Besserstellung der Alleinerziehenden durch Freibeträge an.

Genau diese Freibeträge für Alleinerziehende kritisierte das Verfassungsgericht 1998 allerdings als Benachteiligung der Ehe. Denn das Ehegattensplitting, so hieß es nun plötzlich, habe nichts mit Kindererziehung zu tun. Schließlich profitierten auch kinderlose Ehen von den Splittingvorteilen.

Dies galt weithin als Signal, dass nun das Ehegattensplitting abgeschafft oder zumindest reduziert werden kann. In seinem jüngsten Urteil zur Homoehe stellte Karlsruhe immerhin klar, dass das Grundgesetz keine Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Lebensformen fordere.

Eine völlige Abschaffung des Splittings ist allerdings nach Meinung vieler Verfassungsexperten unzulässig, weil intakte Ehen dann gegenüber geschiedenen oder getrennt lebenden Paaren benachteiligt würden. Hier kann nämlich der Unterhalt in gewissem Rahmen steuerlich abgesetzt werden. CHRISTIAN RATH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen