: Die Axt im Bauwagen
Bambule-Platz: GAL wirft Senat und Bezirk wegen ihrer Räumungspläne das „Zündeln mit Stimmungen“ vor. Bild-Zeitungwird für ihre Berichterstattung vom Deutschen Presserat gerügt. Vermummte waren ins Foto hineinmontiert worden
von PETER AHRENS
Die GAL befürchtet nichts Gutes. Es werde zurzeit „mit Stimmungen gezündelt“, stellt die Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller fest, und der Fraktionschef im Bezirk Mitte, Claudius Lieven, sagt „eine Eskalation“ voraus. Schuld ist aus Sicht der GAL ein Potpourri aus Senats- und Bezirkspolitik und Medien-Berichterstattung, die das Thema Bauwagenplätze „ohne Not hochpuschen“. Die Grünen üben schärfste Kritik an den Versuchen, vor allem die BewohnerInnen des Bauwagenplatzes Bambule im Karoviertel zu kriminalisieren. Möller hat sogar zu dem Mittel gegriffen, die Bild-Zeitung beim Deutschen Presserat anzuzeigen. Mit Erfolg: Die Zeitung erhielt für ihre Bambule-Berichterstattung eine offizielle Rüge.
Aus Sicht von Möller und Lieven besteht für eine Räumung des Bauwagenplatzes, wie sie der Bezirk Mitte zum 31. Oktober plant, überhaupt kein aktueller Anlass. Der Bezirk will räumen, weil er den Bambule-BewohnerInnen Verstöße gegen „Sicherheit und Ordnung“ vorwirft und sich dabei auch auf das so genannte Sicherheits- und Ordnungsgesetz beruft. Für Möller ist das absurd. Denn was Bambule angekreidet wird, seien „ganz normale Dinge aus dem Bereich der Nachbarschaftsstreitigkeiten“. Der Bezirk bemängelt unter anderem das Hundegebell auf dem Platz, das Heizen „mit ungeeigneten Heizmitteln“, Partylärm sowie Geruchsbelästigung durch Chemietoiletten.
Für Lieven verhalten sich Senat und Bezirk „wie die Axt im Walde“. Nach den heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei im Jahr 1994 hätten sich die Bambule-BewohnerInnen „stets vergleichsweise unauffällig verhalten“. Gespräche mit ihnen über einen Umzug in ein nahe gelegenes Haus in der Karolinenstraße 27 seien bis zum Regierungswechsel schon relativ weit fortgeschritten gewesen. Das SAGA-Haus, das seit sieben Jahren leer steht, ist zwar massiv sanierungsbedürftig. Die BauwagenbewohnerInnen hatten sich jedoch bereit erklärt, beim Renovieren mitzuhelfen. Aber dieses Angebot gilt nun nichts mehr, der Bezirk lehnt eine Sanierung aus Kostengründen ab. Stattdessen werde nur noch übers Räumen geredet.
In diesen Zusammenhang stellt Möller auch die Berichterstattung der Bild-Zeitung. Der gerügte Bericht erschien am 20. März 2002, einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung in der Bezirksversammlung über eine mögliche Räumung. Unter der Überschrift „Wo sich Randale richtig lohnt“ war ein Foto des Bauwagenplatzes zu sehen, auf dem mehrere vermummte Gestalten posierten. Bild hatte die Vermummten einfach in das Foto hineinmontiert, ohne dies jedoch, wie gesetzlich vorgeschrieben, kenntlich zu machen. Zudem hatte die Redaktion unter der Bildüberschrift „Hier sollen sie hin“ zwei Fotos von irgendeiner renovierten Altbauwohnung veröffentlicht und den Eindruck erweckt, bei dieser Wohnung handele es sich um die Karolinenstraße 27, wo die Bambule-Leute nach Willen von Rot-Grün einziehen sollten.
Der Presserat folgte der Beschwerde der GAL und stellte einen „Verstoß gegen die publizistischen Grundsätze fest, der so schwerwiegend ist, dass der Presserat die Maßnahme der Rüge wählte“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen