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Aufschwung für die Nationalisten

Die Wähler Bosnien-Herzegowinas sind von den Reformern enttäuscht. Ein Wahlsieg der Hardliner der verschiedenen Bevölkerungsgruppen ist möglich

aus Sarajevo ERICH RATHFELDER

Pale ist ein freundliches kleines Städtchen. Viele Häuser sind seit dem Kriege renoviert, auf der schmalen Hauptstraße staut sich der Verkehr. Die ehemaliger Führer der serbischen Nationalisten in Bosnien, Radovan Karadžić, wollte die oberhalb Sarajevos gelegene Gemeinde zu einer bombastischen Großstadt mit Wolkenkratzern und Siegessäulen ausbauen. Nichts blieb von den Plänen übrig. Aber 60 Prozent der Stimmen errang die Karadžić-Partei „Serbische Demokratische Partei“ (SDS) noch bei den Wahlen vor zwei Jahren.

„Wir wollen ganz normal leben, Arbeit haben und einen Rechtsstaat aufbauen“, sagt Bosko Tomić, Kandidat der „Partei des demokratischen Fortschritts“ (PDP) in Pale. Privat arbeitet er darauf hin, Motoren eines Autowerkes aus Stuttgart zu importieren. Er erhofft sich einen Zuwachs von 15 auf 25 Prozent für seine Partei. Dass vor wenigen Tagen der junge, ihm politisch nahe stehende Polizeichef des Ortes ermordet worden ist, macht ihm Sorgen. Doch über die näheren Umstände sagen will er nichts.

Gesprächig wird er wieder, wenn man ihn auf den zurückliegenden Bürgerkrieg anspricht. Jede Frage über die Schuld der serbischen Seite beantwortet er mit Gegenfragen über angebliche Massaker an der serbischen Bevölkerung. Und er verteidigt die Teilung Bosniens in die bosniakisch-kroatische Föderation und die serbische Republik mit dem Hinweis, dass er mit dem „Islam“ nicht zusammenleben will. Der „moderate“ Bosko Tomić, der gegen die offenen Extremisten kandidiert, entpuppt sich als harter Nationalist.

„Wir leben in getrennten Welten“, sagt Ivan Lovrenović, Historiker und kritischer Intellektueller in Sarajevo; trotz der Fortschritte, die es zweifellos gebe. Heute könne man durchs gesamte Land fahren, ohne Angst um sein Leben zu haben. „Immerhin etwas.“ Doch die Kommunikation zwischen den drei großen Volksgruppen werde nicht ernsthaft angestrebt. „Die Nationalisten aller Seiten belügen sich selbst und rechtfertigen sich so. Und sie versuchen mit ihren Ideologien, die Bevölkerungen voneinander abzuschotten.“

Die muslimische Nationalpartei, die SDA, ist auch noch der Verwicklung in krumme Geschäfte verdächtig. 40 hohe Parteifunktionäre werden beschuldigt, während des Krieges einen Teil der Spendengelder für Bosnien veruntreut zu haben. Doch die Wahlchancen für die SDA sind durch diesen Skandal offenbar nicht geschmälert worden. Nach Umfragen kann nur in den großen Städten mit bosniakisch-muslimischer Mehrheitsbevölkerung, so in Sarajevo, Zenica und Tuzla, mit einer Mehrheit für die nicht-nationalistische Allianz unter Führung der Sozialdemokraten gerechnet werden. Die SDA wird gegenüber den letzten Wahlen zulegen. Sie mobilisiert mit nationalistischen und unterschwellig antiwestlichen Parolen. Seit dem 11. September 2001 und den israelischen Angriffen auf die Palästinenser ist die proamerikanische Stimmung bei großen Teilen der muslimischen Bevölkerung ins Gegenteil umgekippt. Und gegenüber den Serben werden drohende Töne angeschlagen. So erklären Funktionäre vor jubelnden Anhängern, sie würden die Teilung des Landes überwinden und die Republika Srpska auflösen. Ähnliches verspricht der ehemalige Premierminister und SDA-Konkurrent Haris Silajdžić, der mit seiner eigenen Partei „Für Bosnien und Herzegowina“ um muslimische Stimmen kämpft. Wie soll das geschehen? Mit Gewalt?

In den kroatischen Gebieten bleibt alles wie gehabt. Die Nationalpartei „Kroatische Demokratische Gemeinschaft“ (HDZ) kann mit 60 bis 70 Prozent der Stimmen rechnen. Für die nicht-nationalistische Allianz in der bosniakisch-kroatischen Entität kommen die Wahlen zu früh. Nach dem Wahlsieg vor zwei Jahren – die Allianz errang damals die Mehrheit der Sitze im Gesamtparlament und im Parlament der Föderation – gelang es dem starken Mann der Sozialdemokraten, Zlatko Lagumdžija, zwar, im Zusammenspiel mit dem Serben Mladen Ivanić einige Reformen für den Gesamtstaat durchzusetzen. Doch die Wirtschaftsreform, die mit der Privatisierung verbunden ist, trägt so schnell keine Früchte.

In den internationalen Organisationen sieht man es jetzt als Fehler, die Neuwahlen so schnell wieder anzusetzen. Wenn es jetzt zu nationalistischen Mehrheiten käme, wäre der Reformprozess auf vier Jahre erschwert, wenn nicht gestoppt. Deshalb hat der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, der Brite Paddy Ashdown, die Wähler dazu aufgerufen, für die „Zukunft und nicht für die Vergangenheit“ abzustimmen.

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