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„Integration nach Europa“

Paddy Ashdown, Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Sarajevo, sieht in Bosnien größere Fortschritteals in Nordirland während der vergangenen dreißig Jahre. Langfristig sieht er die Nationalisten aller Seiten als Verlierer

von ERICH RATHFELDER

taz: Herr Ashdown, Sie sind jetzt seit 100 Tagen im Amt. Was ist Ihre Vision für dieses Land?

Paddy Ashdown: Es kommt vor allem darauf an, das durchzusetzen, was die Bosnier selbst wollen. Und die wollen eine Entwicklung, die in Richtung Integration nach Europa geht. Meine Vision ist, dass die letztendliche Verfassung für das Land in so etwas wie einer Schweiz liegt. Ich stelle mir einen Staat mit nicht allzu starken zentralistischen, aber sehr starken kommunalen Strukturen vor, in dem die Menschenrechte und die Rechte von ethnischen Gruppen geschützt sind. Diese Vision ist langfristig und setzt einen Prozess von mehr als 10 Jahren voraus. Wir müssen jetzt aber ganz pragmatische Weichen stellen.

Ganz gleich, wie die Wahlen ausgehen?

Ja, sicher. Wir haben schon seit unserer Amtsübernahme sehr schnell in Bezug auf das Rechtssystem gehandelt. Zwar wird das Gericht, das sich mit der Korruption befasst, erst Anfang nächsten Jahres seine Arbeit beginnen, aber wir haben ein Oberstes Gericht geschaffen, wir haben einen unabhängigen Mechanismus dafür entwickelt, unfähige Richter abzusetzen, wir haben eine Spezialpolizei für die organisierte Kriminalität geschaffen. Wenn Sie daran denken, dass ein serbisches Gericht in Doboi rückkehrenden Muslimen nicht nur ihr Eigentum zugesprochen hat, sondern Serben zur Kompensation verurteilte, weil sie auf deren Grund und Boden gebaut haben, dann sieht man, welche Fortschritte es schon in Bezug auf das Rechtssystem gibt.

Macht ein Wahlsieg der Nationalisten dies nicht zunichte?

Ich denke, dass langfristig gesehen die nationalistischen Kräfte an Boden verlieren werden. Man muss auch bedenken, dass es in der Demokratie natürlich ist, wenn eine Regierung an Stimmen verliert und die Opposition stärker wird. Das ist nicht unbedingt mit der Stärkung des Nationalismus gleichzusetzen. In allen Transitionsländern haben die Reformregierungen die nächsten Wahlen verloren.

Ich glaube nicht, dass die Einordnung der Parteien in Nationalisten und Nichtnationalisten noch zutrifft. Wir haben drei Strömungen, die Reformisten, die Pragmatiker und die Obstruktionisten. Diese Strömungen sind in allen Parteien mehr oder weniger ausgeprägt vorhanden. Die Sozialdemokraten haben mehrheitlich Reformisten, die kroatische Nationalpartei HDZ verhält sich in Bezug auf die Wirtschaftspolitik sehr pragmatisch und kooperativ. Selbst in der serbischen Nationalpartei SDS findet man Pragmatiker, auch wenn viele Leute noch immer den alten Ideologien anhängen. Bosnien, das ist ein Prozess. Wenn man Bosnien mit Nordirland vergleicht, dann muss man sagen, dass hier sieben Jahre nach dem Krieg mehr Fortschritte als in Nordirland in dreißig Jahren gemacht worden sind.

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