piwik no script img

Clement in NRW kaum ersetzbar

Kann schon sein, dass der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen als „Superminister“ nach Berlin geht. Aber wen bloß sollen die Sozialdemokraten auf seinen Stuhl setzen? Das Problem: Wer regieren will, muss Mitglied des Landtags sein

aus Köln PASCAL BEUCKER

Wolfgang Clement versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Stoisch beantwortete er am Wochenende alle Anfragen zu seiner politischen Zukunftsplanung nach gleichem Muster: „Ich bin Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Weder das Amt noch ich stehen für Spekulationen zur Verfügung.“ Klingt so ein Dementi?

Die Aufregung in Düsseldorf ist groß: Geht Clement nach Berlin? Der Focus hatte es zuerst gemeldet: Gerhard Schröder wolle Clement als „Superminister“ in sein künftiges Kabinett berufen. Er solle – und wolle – das Wirtschafts- und das Arbeitsressort übernehmen und die beiden Minister Werner Müller sowie Walter Riester ablösen. Während der Sprecher der NRW-SPD, Dirk Borhart, den Bericht als „Unfug“ bezeichnete, sagte NRW-Regierungssprecherin Miriam Meckel gestern am Rande einer Kabinettssitzung in Düsseldorf nur vielsagend: „Nichts ist entschieden.“ Aus Kreisen der Landesregierung hieß es, die Chancen für einen Wechsel stünden fünfzig zu fünfzig. Zwar würde Clement tatsächlich gerne nach Berlin gehen, doch sei die Nachfolgefrage in Nordrhein-Westfalen ein bislang noch ungelöstes Problem.

So warnte der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, der Düsseldorfer Michael Müller, davor, eine Abberufung Clements könne die „rote Bastion in NRW“ gefährden. SPD-Landesgeneralsekretär Michael Groschek sagte: „Nachfolger stünden Gewehr bei Fuß. Aber die Gewehre können stehen bleiben und alle anderen Kandidaten bei Fuß bleiben.“ Die Schwierigkeit für die Genossen: In NRW muss ein Ministerpräsident auch Mitglied des Landtags sein. Diese Regelung schließt ausgerechnet denjenigen aus, der prädestiniert dafür wäre, Clement zu beerben: den SPD-Landeschef und Arbeitsminister Harald Schartau. Käme es jetzt zum Wechsel, könnte er seine Ambitionen, nach der Landtagswahl 2005 zum Regierungschef aufzusteigen, wohl begraben. „Wolfgang Clement wird in NRW gebraucht“, kommentierte Schartau die „reinen Spekulationen“.

Clements Favorit ist der amtierende Finanzminister Peer Steinbrück. Er ist allerdings Norddeutscher. Außerdem gilt er nicht als jemand, der das gespannte Verhältnis zum grünen Koalitionspartner verbessern könnte. Auch im Gespräch ist Familienministerin Birgit Fischer. Sie gilt zwar als kompetent und verfügt auch über einen großen Rückhalt in der Fraktion. Trotzdem halten viele sie für nicht durchsetzungsfähig genug – und außerdem eine Parteilinke. Fischer äußerte sich denn auch sehr vorsichtig: „Wolfgang Clement ist Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen und Berlin muss eine starke Achse sein.“

Während sich aus der Landtagsfraktion niemand als Clement-Ersatz anbietet, wären aus dem Landeskabinett noch Justizminister Jochen Dieckmann, Bildungsministerin Gabriele Behler und Europaministerin Hannelore Kraft weitere mögliche Alternativen. Alle drei gelten jedoch als farblos. Das Personalkarrussel dreht sich, hinter den Kulissen soll bereits kräftig geschoben werden. „Klar ist, dass wir uns keine Interimslösung leisten können“, so ein SPD-Landtagsabgeordneter.

Clement selbst spielt dabei auf Zeit. Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin gehe es „zunächst um Inhalte, dann um Strukturen und dann um Personalien.“ Solange hätte er noch Zeit, seine Nachfolge im Land zu regeln. Dann muss er sich endgültig entscheiden, ob er bleibt oder geht.

meinung SEITE 13

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen