: Ruhm unter falschem Namen
Der „Nobelpreis für Wirtschaft“ sei gar kein echter, denn er wurde nicht von Alfred Nobel gestiftet – meinen jetzt auch dessen Erben. Deswegen fordern sie eine Umbenennung
STOCKHOLM taz ■ Urenkel von Alfred Nobels Bruder Ludwig forderten öffentlich, den „Preis der schwedischen Zentralbank für Wirtschaftswissenschaften zum Andenken an Alfred Nobel“, meistens kurz „Wirtschaftsnobelpreis“ genannt, entweder abzuschaffen oder umzubenennen. Jeder Bezug auf Nobel solle unterbleiben.
Der Preis wird heute in Stockholm vergeben, doch er geht nicht auf Alfred Nobel zurück, der die Preise für Physik, Chemie, Medizin und Literatur sowie den Friedensnobelpreis stiftete. Sondern auf die schwedische Reichsbank, die 1968 den 1969 erstmal verliehenen Preis begründete. Doch der Unterschied zu einem „normalen“ Nobelpreis ist kaum zu erkennen. Er wird beim Nobelfest zusammen mit den anderen Preisen verliehen und auch die Preissumme entspricht exakt der, welche die Nobelstiftung ausschüttet, auch wenn das Geld (in diesem Jahr 10 Millionen Kronen) wie immer aus der Reichsbankkasse kommt.
Nobels Erben kritisieren an dem Preis, Nobel hätte selbst einen Wirtschaftsnobelpreis gestiftet, falls er einen solchen tatsächlich gewollt hätte. Verteidiger des Zentralbankpreises argumentieren hiergegen damit, dass es zu Zeiten Nobels keine „Wirtschaftswissenschaft“ gegeben habe. Doch dem widersprechen die Erben mit einer Reihe von Briefzitaten Nobels, in denen er, der ein begnadeter Praktiker des Geldverdienens war, sich durchgehend negativ und sarkastisch zu jeglichen ökonomischen Theoretikern äußert. Diese „hasse ich mit ganzem Herzen“, sie wüssten genauso wenig „wie der Mann im Mond“. Die Zentralbank scheint jedoch keine Pläne zu haben, den Namen des Preises zu ändern oder ihn sogar ganz abzuschaffen.
Einer der bislang kontroversesten Preisträger war 1976 Milton Friedman, der zusammen mit einer Reihe anderer Wissenschaftler in den Siebzigerjahren als Berater für das Pinochet-Regime in Chile arbeitete. Daraufhin gab der Schwede Gunnar Myrdal seinen Preis zurück, den er 1974 erhalten hatte. Robert Merton und und Myron Scholes wurden 1997 für „ihre neue Methode der Preisbestimmung von Optionen“ geehrt, mit deren Umsetzung in die Praxis sie ein Jahr später einen Milliardenkonkurs produzierten. „Dieser Preis dürfte nicht Nobelpreis heißen, nicht einmal in der Umgangssprache“, meint Erik Dahmén, Volkswirtschaftsprofessor und Mitglied der schwedischen Wissenschaftsakademie, die den Preis verleiht: Wirtschaft sei nun einmal keine exakte Wissenschaft. Auch Exfinanzminister Kjell-Olof Feldt, der im Zentralbankvorstand saß, als der Preis gestiftet wurde, hat seine Meinung über diesen geändert: Er könne „niemandem widersprechen, der ihn abschaffen wolle“.
Anders Professor Assar Lindbeck, ebenfalls Mitglied der Wissenschaftsakademie: „Die Gesellschaftswissenschaften haben in den letzten Jahrzehnten expandiert und sind deshalb natürlich einen Nobelpreis wert.“ Eine Argumentation, angesichts der es dann allerdings kein Halten für neue „Nobelpreise“ gäbe. Warum also nicht auch für Soziologie oder Psychologie? Und warum nicht für eine etwas exaktere Wissenschaft, wie die Mathematik? REINHARD WOLFF
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