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In 24 Stunden ein Star

Nie mehr ein verkannter Künstler: Manfred Kirschner bietet seinen Kollegen die Möglichkeit, sich gegen Nichtberühmtheit zu versichern

An der rosa Wand des BeVK-Büros hängen die Kunstwerke der Versicherten, eine kleine Knetskulptur etwa oder ein großformatiges Foto – aber auch eine selbstgebrannte CD und ein Granulat-Fensterbild. Um berühmt zu werden, braucht es wenig, man muss nicht einmal Künstler im engeren Sinne sein. Das Fensterbild in rot-gelb ist von Manfred Kirschners Mutter, die sich zunächst mit einem Apfelkuchen bewerben wollte.

Kischner hatte die Idee zu einer „Berühmtheitsversicherung“ schon vor drei Jahren. Zum 10-jährigen Jubiläum des Künstlerhauses, in dem er zur Zeit ein Atelier hat, schien ihm das Projekt besonders passend: „Da fragt man sich, was denn aus den Leuten geworden ist, die auch mal hier waren. Manche haben groß ausgestellt und sind dann einfach verschwunden“.

Gegen das Verschwinden, also „gegen das Risiko, nicht berühmt zu sein und niemals berühmt zu werden“, wie es in den Konditionen heißt, versichert die Berühmtheitsversicherung. „Man wird einfach lockerer, hetzt nicht mehr so durchs Leben“ sagt Manfred Kirschner. Der Konkurrenzkampf fiele einfach aus, wenn alle berühmt seien.

Es braucht wenig, Mitglied zu werden: 12 Euro, ein Passfoto, ein Vernissagenfoto (das den Versicherungsnehmer neben einer berühmten Person zeigt), ein Kunstwerk und eine Selbsteinschätzung. Kirschners Versicherung unterscheidet nämlich zwischen 31 „Gloria-Stufen“: je berühmter, desto geringer der Beitrag. Für den Vertrag hat Kirschner sich bei einem Versicherungsagenten informiert, der vielleicht die BeVK in sein Portfolio aufnehmen will.

Bereits Versicherte berichten, dass sie sich schon nach zwei Tagen viel berühmter fühlen. Wem das noch zu langsam ist, der kann auch eine Express-Versicherung abschließen und in 24 Stunden, also über Nacht berühmt werden. Posthume Berühmtheit ist ausgeschlossen.

Berühmtheit sei ein Gefühl, das sich nicht objektiv überprüfen ließe, sagt Kirschner. Aber er könne gegen die Zweifel an der eigenen Berühmtheit versichern. Andere Selbstzweifel sind leider ausgeschlossen.

Für den 33-jährigen Manfred Kirschner, der sonst vor allem Konzept-Kunst macht, funktioniert die Berühmtheitsversicherung jedenfalls schon jetzt. Sie hat ihn, nicht zuletzt auch durch diesen Artikel, ein bisschen berühmter gemacht.

Nina Diezemann

BeVK, Atelier Manfred Kirschner, Künstlerhaus, Eingang Hofende. Heute und morgen von 15-18 Uhr. Nächste Woche: Di bis Do 15-18 Uhr, Fr 11-14, 15-18 Uhr.

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