DIE IRAK-ANALYSE DES CIA IST NICHT NEU, ABER SIE PASST BUSH NICHT: Selbst geschaffene Bedrohung
Es klingt wie eine peinliche PR-Panne der Bush-Regierung: Der Geheimdienst CIA teilt dem US-Senat mit, der Irak werde nur dann zu einer ernsthaften Gefahr, wenn das Regime in Bagdad zu dem Schluss kommt, ein Angriff der USA sei nicht mehr zu verhindern. Entscheidend geschwächt wird dadurch Präsident Bushs Argument, der Irak sei eine akute und unmittelbare Bedohung, weil er atomare, biologische oder chemische Waffen jederzeit einsetzen würde, sobald er dazu in der Lage ist.
Dabei gibt der CIA nur eine Einschätzung wieder, die unter Militärs und Geheimdienstlern in Washington seit Jahren völlig unumstritten ist: Staaten, die eine Konfrontation mit Washington befürchten, können die USA im Zweifelsfall nur dann gewaltsam von einem Angriff abhalten, wenn die Zahl der getöteten US-Bürger eine für die amerikanische Öffentlichkeit akzeptable Höhe übersteigt. Da die US-Streitkräfte jedem potenziellen Gegner weit überlegen sind, bleiben nur verdeckte Anschläge oder der Einsatz von ABC-Waffen als Optionen. Je aussichtsloser die Lage eines Regimes dabei ist, desto wahrscheinlicher wird der Rückgriff auf den letztlich selbstmörderischen ABC-Waffeneinsatz. Andererseits ist die Drohung oder der Einsatz solcher Waffen durch ein Regime, das noch nicht kurz vor dem Untergang steht, extrem unwahrscheinlich. Es könnte damit nichts erreichen und verlöre den letzten Rest an ausländischer Untertützung.
Die Blamage für den US-Präsidenten war unvermeidbar. Nur weil es für ihn opportun ist, können die CIA-Analysten nicht alle Einschätzungen der letzten Jahre für falsch erklären. Zudem enthielt der Brief von CIA-Direktor George Tenet nur Informationen, die der zuständige Kongressausschuss bereits mündlich erfahren hatte. Der CIA-Chef versuchte deshalb, die Einschätzung zu relativieren. Die Kernaussage aber bleibt: Die USA sind in dieser Konfrontation nicht der passive Akteur, der nur auf eine angebliche Bedrohung des Iraks reagiert. Denn durch ihre Kriegsdrohung kann die Bush-Regierung genau die Bedrohung erst schaffen, die sie vorgibt zu verhindern. ERIC CHAUVISTRÉ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen