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Wider den Winter-Blues

Vorsicht bei „kalten“ Milchprodukten: Ingwer, Zimt und Haferbrei bringen Wärme in trübe Zeiten. Als Stimmungsaufheller käme Schokolade infrage, doch empfehlenswerter ist mehr Sex

von LENA EKELUND

Eigentlich wäre ein Winterschlaf keine schlechte Idee: Anfang November beim ersten Schneeregen nach Hause gehen, Tür zu, Decke über den Kopf. Bis April. Oder bis mal wieder die Sonne scheint. Und so die winterliche Melancholie umgehen, die Wintergrippe, die Fressattacken und die allgemeine Müdigkeit und Lustlosigkeit nach Weihnachten.

Wem zum Hibernieren die Zeit fehlt, der muss der Grippe und eventuellen wetterbedingten Verstimmungen eben ein anderes Schnippchen schlagen. Und damit, rät Heilpraktikerin Angela von Ziehlberg, beginnt man am besten schon im Herbst: „Jetzt in der Erntezeit sollte man viel frisches regionales Obst und Gemüse essen, um die ‚Nährstoffdepots‘ aufzuladen. Das stärkt die Abwehrkräfte.“ Außerdem sei es sinnvoll, vor der Stoffwechselumstellung im Winter die Leber zu entlasten – mit Bitterstoffen, die zum Beispiel in Wermuttee, Mariendisteltee oder auch in Chicorée enthalten seien.

„Es ist fraglich, inwieweit wir als Stadt- und Büromenschen überhaupt noch den Rhythmus der Jahreszeiten ‚am eigenen Leib‘ spüren“, meint Ziehlberg. Thomas Hartz von Zacharewitz ist anderer Meinung: „Die Kraft der Jahreszeiten nimmt immer Einfluss auf den Menschen“, sagt der Leiter eines Zentrums für traditionelle chinesische Medizin und rät Dauerfröstlern zu Ingwertee. Als Allheilmittel gegen Müdigkeit und zur Stärkung der Abwehrkräfte preisen beide den morgendlichen Brei. „Das warme Frühstück sollte aus gekochtem Getreide bestehen, also aus Reis, Maismehl oder aus den einheimischen Getreiden wie Dinkel oder Hafer“, erklärt Hartz von Zacharewitz. Darüber wird etwas geriebener Ingwer oder Zimt gestreut oder sogar mitgekocht.

Zimt ist wie Ingwer ein „Durcherhitzer“ für den Organismus, weil er die Herz-Kreislauftätigkeit anregt. „Das Problem ist, dass wir uns durch unsere Ernährung zu stark herunterkühlen“, so Hartz von Zacharewitz. Milch im Brei sei deshalb auch keine gute Idee: „Milchprodukte sind ‚kalt‘ nach der chinesischen Lebensmittellehre, und außerdem schleimen sie und bereiten so den Boden für Erkältungen.“ Auch die viel gepriesene Rohkost sei gerade im Winter schlecht für den Magen. Die Chinesen stellten sich den Magen wie einen Topf vor, in den den ganzen Tag über immer wieder etwas hineingeworfen wird, das dann vor sich hin köchelt. „Und ein chinesisches Sprichwort sagt, wenn man nur kaltes Wasser und rohen Fisch in den Topf tut, muss man sich nicht wundern, wenn daraus keine Suppe wird“, fügt Ziehrberg hinzu.

Wer mit dem Haferbreifrühstück gar nicht warm wird, kann sich vielleicht für Johanniskraut erwärmen, das ein gutes Mittel gegen die so genannte Winterdepression ist. In den schwarzen Punkten auf den Blättern ist Rotöl enthalten, das den Vitaminmangel ausgleicht. Drei Becher Tee täglich empfiehlt Ziehlberg – ab sofort, denn die Wirkung tritt erst nach sechs Wochen ein. Und man muss die Kur so lange fortsetzen, bis die Sonne wieder scheint.

Die Gier nach opulenten Mahlzeiten oder Schokolade, kaum dass die Temperaturen sinken, sei übrigens psychologischer Natur: Natürlich fühle man sich wohler und wärmer, wenn der Magen voll ist. Außerdem enthält Schokolade Theobromin, das sich stimulierend auf das Nervensystem auswirkt und die Blutgefäße erweitert, sowie zwei weitere Stoffe, die auch in Haschisch enthalten sind und auf die Teile des Gehirns wirken, in denen das Glücks- und Lustempfinden ausgelöst wird.

Also mehr Schokolade als Stimmungsaufheller? „Naja, Schokolade ist nicht so gut“, meint Ziehlberg. „Dann schon lieber mehr Sex.“ Und mehr Zimt. Der hat nämlich auch die Qualitäten eines Aphrodisiakums.

Hartz von Zacharewitz sieht das Problem damit nicht gelöst: „Ständige Schwäche kommt immer daher, dass die Menschen zu wenig Zeit haben, gar nichts zu tun, einfach nur zu sein.“ Und das wäre eigentlich schon wieder ein Argument für den Winterschlaf.

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