piwik no script img

Kahane bekannte IM-Tätigkeit

Der Geschäftsführer der Freudenberg-Stiftung möchte die Ostberliner Menschenrechtlerin Anetta Kahane rehabilitieren. Sie habe ihre Umgebung schon zu Beginn der Neunzigerjahre über ihre IM-Tätigkeit informiert – unter anderen Joachim Gauck

aus Berlin JEANNETTE GODDAR

Anetta Kahane bekommt Rückendeckung: Zwei Tage nach ihrem Stasi-Outing und einen Tag nachdem sie entschied, sich nicht um das Amt der Ausländerbeauftragten in Berlin zu bewerben, erklärt der Christian Petry, Geschäftsführer der renommierten Freudenberg-Stiftung, die sämtliche von Kahane gegründeten Projekte unterstützt: „Ich habe immer von ihrer IM-Tätigkeit gewusst. Und sie hat sich definitiv nichts zu Schulden kommen lassen.“

Der Geschäftsführer der in Hessen ansässigen Stiftung kennt Anetta Kahane seit 1990. Schon bei den ersten Gesprächen über eine Förderung der „Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule“, habe Kahane ihm mitgeteilt, dass es eine IM-Akte gäbe, sagte er der taz. Petry forderte die Akte an, las sie gründlich und machte sich zusätzlich auf die Suche nach Zeugen. Was er dabei herausfand, ist nach seinen Angaben und in Kürze: Die 19-jährige wurde 1974 angeworben, nachdem sie versucht hatte, einer Freundin zur Flucht zu ihrem Geliebten in Westdeutschland zu verhelfen. Die Mädchen flogen auf und wurden festgenommen. Am nächsten Tag stand ein Stasi-Mitarbeiter vor der Tür, sagte, es könne ja mal passieren, dass man sich für die Liebe einsetze. Sie könne gehen, solle aber unterschreiben, dass sie sich melde, wenn ihr etwas auffalle.

Nach Petrys Angaben ist die 48-Jährige, die seit Jahren eine der engagiertesten Kämpferinnen für Menschenrechte in den neuen Ländern ist, schon zu DDR-Zeiten offensiv mit ihrer IM-Tätigkeit umgegangen: Als sie über eine Freundin berichten sollte, habe sie der gesagt: „Hanna, ich arbeite für die Stasi und soll über dich schreiben.“ – „Ich bin absolut sicher“, sagt Petry, „dass sie wirklich von überhaupt keinem Nutzen war.“ Ihr Ausstieg im Jahre 1980, so Petry, sei „geradezu bewundernswert“: Auf offener Straße habe sie Unter den Linden ihren Führungsoffizier angebrüllt: „Verschwinde endlich aus meinem Leben!“

Petry sagt, er sei auch im vereinigten Deutschland mitnichten der Einzige gewesen, der von Kahanes Vergangenheit gewusst hätte. Laut seinen Angaben hat sie unter anderem vor der Annahme der Theodor-Heuss-Medaille für das von ihr gegründete „Zentrum Demokratische Kultur“ vor Jahren alle an der Verleihung Beteiligten in Kenntnis gesetzt. Unter ihnen: Joachim Gauck, damals Stasi-Beauftragter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen