: Nebenwirkungen
Der schwedische Krimi-Autor Kjell Eriksson schreibt in „Das Steinbett“ über die Verbrechen der Pharma-Bosse
Josefin Cederén besucht zusammen mit ihrer sechsjährigen Tochter Emily das Grab ihrer gestorbenen Mutter. Emily pflückt Kleeblumen. „Vierblättrige bringen Glück“, sagt das Kind. Kurz darauf sind die beiden tot. Ein Auto traf sie mit voller Wucht.
Nur ein paar Zeilen weiter amüsieren sich im Kriminalroman „Das Steinbett“ des Schweden Kjell Eriksson einige Polizeibeamte über Zeitungshoroskope. Ann Lindell soll eine „Einladung zur Liebe“ erhalten. Doch die Kommissarin verdrängt ihr Privatleben lieber: Sie ist verliebt und sich ihrer Gefühle doch nicht sicher. Ihren Freund Edvard hat sie bereits verlassen. Der leidet nun wie sie selbst. Arbeit vertreibt solche Gefühle. Der neue Fall kommt gerade recht.
Schnell ist klar, dass die beiden Friedhofsbesucher keinem Unfall zum Opfer fielen. Sven-Erik Cederén, der Ehemann, ist verschwunden und wird zum Hauptverdächtigen. Wenig später wird er selbst tot aufgefunden, und alles sieht nach Selbstmord aus. Betrunken vergiftete er sich mit Autoabgasen. Er hatte eine Geliebte. Seine Ehefrau wusste davon und war schwanger. Vielleicht von einem anderen Mann? Keiner von beiden war glücklich, findet die selbst unglückliche Ermittlerin heraus, beide hielten den Schein der familiären Idylle aufrecht.
Eine schwedische Familientragödie: Erst hat der Familienvater Frau und Kind und dann sich selbst umgebracht. Doch für Kommissarin Lindell bleiben zu viele offene Fragen. Eine Spur führt zur Arbeitsstätte des toten Familienvaters, der Anteilseigner wie Geschäftsführer einer Pharmafirma in Uppsala war. Das Unternehmen forscht an neuen Medikamenten gegen Parkinson, von den Ergebnissen hängt die Zukunft des Unternehmens ab. Die Firma geht über Leichen und lässt die Medikamente illegal an Menschen in der Dominikanischen Republik testen. Die Menschen sterben qualvoll an den Nebenwirkungen. Sven-Erik Cederén wollte das offenbar nicht länger in Kauf nehmen.
„Kalt und unfruchtbar“: Mit diesen Worten endet Kjell Erikssons dritter Kriminalroman. Es ist eine Beschreibung seines Heimatlandes Schweden, ein knapper Kommentar zu dem einst für seinen vorbildlichen Sozialstaat gelobten Land, in dem das gesellschaftliche Gefälle immer größer wird. Eriksson schreibt von Menschen mit enttäuschten Sehnsüchten und Gefühlen, von Mutlosigkeit und Resignation. Auch Kommissarin Ann Lindell gehört zu diesen Menschen. Sie hat den Fall zwar gelöst, doch in ihrem Privatleben warten bereits die nächsten Tragödien.
ANDREAS HERGETH
Kjell Eriksson: „Das Steinbett“. Aus dem Schwedischen von Paul Berf. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2002, 331 Seiten, 20 €ĽDie Krimi-Kolumne fällt heute leider aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen