: Von der Intimität der Droge
Auf einer Berliner Konferenz melden sich die Legalizer zu Wort und postulieren Drogenkonsum als „menschliches Bedürfnis“. Ziel Nr. 1: die Freigabe von Cannabis
BERLIN taz ■ Knapp 4,5 Prozent der Weltbevölkerung im Alter von über 15 Jahren konsumieren Drogen. Dennoch setzt Drogenpolitik immer noch stark auf Repression. Ist das sinnvoll? Diese Frage diskutiert seit gestern die von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung organisierte „Berliner Drogenkonferenz“ mit internationaler Besetzung.
Mit dem Erziehungswissenschaftler Manfred Kappeler hätte der Auftakt kaum provokanter sein können. Der Professor der Technischen Universität gehört zu den Befürwortern einer akzeptierenden Drogenarbeit. Drogenkonsum gehöre „wie Sexualität zu den intimsten menschlichen Bedürfnissen“, ist seine Meinung. Staatliche Sanktionen verhinderten die „freie Selbstbestimmung“ und „die kulturelle Aneignung“ von Drogen.
Diese These rief erwartungsgemäß die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk, auf den Plan. Sie warf Kappeler vor, eine „satte Mittelstandsmeinung“ zu vertreten, für die es keine Mehrheiten gebe. Sie habe nicht vor, sich „neben Tabak und Alkohol noch ein drittes Problem“ aufzuladen. Stolz verwies sie darauf, dass es im ersten Halbjahr 2002 rund ein Drittel weniger Drogentote gegeben habe und auch Begleiterscheinungen wie Aids rückläufig seien.
Die Debatte wieder auf den Boden zurückzuholen war Aufgabe des Frankfurter Oberstaatsanwaltes Harald Hans Körner. „Das Strafrecht“, meinte Körner, auf dessen Unterstützung auch die ersten Fixerstuben in Deutschland zurückgehen, „kann das Problem nicht lösen.“ Stattdessen stellte er ein Modell vor, wie zumindest der Cannabiskonsum in Deutschland stufenweise entkriminalisiert werden könnte.
Zunächst müsse der Strafrahmen für weiche Drogen heruntergesetzt und der Umgang mit Cannabis als Ordnungswidrigkeit behandelt werden. Auch wenn es erst einmal bei einem grundsätzlichen Verbot bleibe, könne man bei geringfügigen Handels- und Konsumdelikten auf eine Anklageerhebung verzichten, um in einem dritten Schritt solche Vergehen ganz zu entkriminalisieren.
Auch die staatlich kontrollierte Vergabe von Cannabis sowie eine staatliche Produktion, wie sie derzeit in Kanada ausprobiert werde, seien als Schritte denkbar. Den letzten Schritt, die völlige Freigabe, habe bislang noch kein Staat gewagt. Jede Liberalisierung, betonte Körner, müsse aber mit Rücksicht auf die bestehende „Rechtskultur“ und das allgemeine Bewusstsein der Bevölkerung stattfinden. „Riesenschritte“ seien daher gegenwärtig schwer vorstellbar – und auch nicht wünschenswert. Und, auch dies stellte Körner klar: Das Strafrecht sei „als Ultima Ratio unverzichtbar“. Mit einer Diskussion über die Situation in den Drogenanbauländern wird die Konferenz heute fortgesetzt. OTTO DIEDERICHS
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