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Fragwürdige Prognosen

Fragt man Studienanfänger heute nach ihren Motiven, antwortet nur jeder Dritte, er habe sich wegen der guten Berufsaussichten für ein bestimmtes Fach entschieden

Die Semesterferien neigen sich dem Ende zu, und schon wird in den Redaktionen der großen Zeitschriften wieder an den Tabellen gebastelt: Welches Studium an welcher Uni taugt wie viel? Außer den schon seit Jahren unerlässlichen Hochschulrankings wird auch die Auflistung vermeintlicher Arbeitsmarktaussichten immer beliebter.

Vorlieben weiter wichtig

Die regelmäßige Veröffentlichung von diesen und jenen Perspektiven steht allerdings in einem merkwürdigen Gegensatz zu dem Desinteresse von Studenten an selbigen: Fragt man Studienanfänger nach ihren Motiven, antwortet nur jeder Dritte, er habe sich wegen der guten Berufsaussichten für ein bestimmtes Fach entschieden. Ein weiteres Drittel gibt an, die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt hätten bei der Wahl des Faches überhaupt keine Rolle gespielt. Zu diesen Erkenntnissen kommt die jüngste Studienanfänger-Erhebung des Hochschul-Informations-Systems HIS. Statt an den Arbeitsmarktchancen, so die Studie, orientierten sich Studenten nach wie vor stärker an ihren persönlichen Vorlieben, ihrer Begabung, aber auch an wissenschaftlichem Interesse.

Darüber, warum es trotz des seit Jahren immer wieder veröffentlichten Bedarfs an Ingenieuren oder Medizinern keinen massenhaften Zulauf zu den entsprechenden Fachbereichen gibt, rätseln auch die Forscher. Früher, sagt Christoph Heine, Mitarbeiter des HIS, sei es einfacher gewesen, Studienanfänger mit guten Berufsaussichten zu locken. Vor allem „Bildungsaufsteiger“, die nicht aus einem akademischen Elternhaus stammten, seien durch Berufsaussichten beeinflussbar gewesen. Er hält es nicht für ausgeschlossen, dass „die Generation, die jetzt an die Unis kommt, in ihren Elternhäusern zu sehr mit Arbeitslosigkeit und einem unberechenbaren Arbeitsmarkt konfrontiert wurde, um positiven Prognosen noch vertrauen zu können“.

Doch auch die Zuverlässigkeit der angebotenen Fächerlisten mit „Jobgarantie“ einerseits, „garantierter Arbeitslosigkeit“ andererseits ist umstritten. Beim HIS hält man unter Zuhilfenahme mehrerer Kriterien von Absolventenzahlen bis zur Alterspyramide der Beschäftigten den Arbeitsmarkt zumindest für große Fächer über fünf bis zehn Jahre für berechenbar. So sei beispielsweise der Ingenieur- und Lehrermangel bereits heute für das nächste Jahrzehnt prognostizierbar, sagt Christoph Heine. „Ein großer Teil kommt ins Pensionsalter“, sagt Heine, „und gleichzeitig sind bis Mitte der 90er-Jahre die Studentenzahlen eingebrochen. Daher kann man ziemlich sicher sagen, dass der Mangel eine Weile anhält.“

Zweifelhafte Jobgarantien

Studienberater, die regelmäßig mit Mails bombardiert werden, in denen nach der Position der Uni in den Rankings gefragt wird, warnen vor zu viel Vertrauen in die Statistik. „Je detaillierter Arbeitsmarktprogosen sind, desto fragwürdiger sind sie“, konstatiert Hans-Werner Rückert, Leiter der Studienberatung an der FU Berlin. Insbesondere „Rückkopplungseffekte“, also die Frage nach den Auswirkungen der Veröffentlichung vermeintlicher „Mangelfächer“, könne von der Arbeitsmarktforschung nicht berücksichtigt werden. „Hätten sich nicht so viele Studenten auf Fächer mit vermeintlicher Jobgarantie gestürzt, wäre uns die ein oder andere Lehrer- oder Anwaltsschwemme erspart geblieben.“ Rückert rät, sich bestenfalls an „groben Trends“ zu orientieren – aber nicht „an Aussagen wie: In fünf Jahren sieht die Welt so und so aus“. Die einzige erwiesene Erkenntnis sei, so Rückert: Ein Studium als solches macht Sinn. „Eine der wenigen Konstanten in einer komplizierter werdenden Welt ist: Wer studiert hat, wird seltener arbeitslos.“ JEANNETTE GODDAR

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