vorlauf: Die Weltkrise als Doku-Krimi
„Nervenprobe“ (Di., ZDF, 20:15 Uhr)
Die Welt stand am Abgrund, am Rande eines Atomkriegs. Damals im Oktober 1962 als sowjetische Atomraketen auf Kuba stationiert wurden. Der Countdown zum Dritten Weltkrieg, das wissen wir erst vierzig Jahre später, war dramatischer, „als wir bisher ahnten“. Das zumindest behauptet Guido Knopp, Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte. In einer neuen Dokumentation, die heute zur besten Sendezeit im Zweiten ausgestrahlt wird, versucht sein Team aus Historikern und Dokumentarfilmern neue Hintergründe in die Ereignisse vor 40 Jahre aufzudecken.
Neue Hintergründe? Die Geschichte ist schnell erzählt: Am 14. Oktober 1962 entdeckten amerikanische Aufklärungsflugzeuge erstmals sowjetische Atomraketenbasen auf Kuba. Kremlführer Nikita Chruschtschow hatte die Anlagen heimlich über den Seeweg schmuggeln lassen und hoffte, die Amerikaner würden das hinnehmen. Einen wichtigen Aspekt dabei erwähnt die ZDF-Dokumentation nur beiläufig: Zu diesem Zeitpunkt wurde die Sowjetunion selbst von allen Seiten durch Nuklearwaffen des westlichen Militärbündnisses bedroht. Knopp stellt die Ereignisse insgesamt stark aus amerikanischer Perspektive dar. US-Präsident John F. Kennedy ist schlichtweg der Gute und Weise, Chruschtschow verkörpert das Dumme und Böse. Den nuklearen Wahn der Amerikaner reduziert er auf die Kubakrise.
Historien-Aufarbeitung à la Knopp ist auch bei diesem Thema ein Potpourri aus kurz geschnittenen Schwarzweißsequenzen, nachgestellten Szenen in Farbe und Kurzinterviews von grell ausgeleuchteten Zeitzeugen. Knopps Kriminalgeschichte wird von der deutschen Synchronstimme Robert De Niros erzählt. Ansonsten setzt die Doku auf die Suggestivkraft der Bilder – auf schöne, teils unveröffentlichte Bilder aus russischen Archiven. Das war es dann auch.
„Bewegte Bilder und bewegende Zeitzeugen sind die Pfunde, mit denen wir wuchern können“, sagte Zeitgeschichtler Knopp selbst einmal über seine Filmmasche, „Unterhaltung wollen wir liefern, auch für den Arbeiter, der abends müde nach Hause kommt“.
ROLAND HOFWILER
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