FINANZPOLITIK: DAS BIER DER ARBEITSLOSEN DARF NICHT ZU TEUER WERDEN
: Von roten und von blauen Euros

Glaubt man dem Oberökonomen der Grünen, Fritz Kuhn, oder dem SPD-Vordenker Franz Müntefering, dann gibt es zwei Sorten von Euros. Die einen, nennen wir sie die „roten“, tun, wenn man sie ausgibt, nur Gutes: Sie kurbeln die Konjunktur an, schaffen Arbeitsplätze und helfen künftigen Generationen. Es gibt aber auch Euros, nennen wir sie die „blauen“, die, wenn sie auf den Markt geworfen werden, alles Schlechte der Welt nach sich ziehen: Sie belasten die zukünftigen Generationen, bringen Inflation, schnüren dem Staat die Luft ab und schaffen niemals einen Arbeitsplatz. So sprechen Fritz und Franz. Einerseits wollen sie sparen, was das Zeug hält – andererseits wollen sie investieren, um die Arbeitslosigkeit zu senken.

Wenn im kommenden Jahr sieben Milliarden bei der Bundesanstalt für Arbeit eingespart werden, dann sind das alles blaue Euros. Hätte man die ausgegeben, wären sie nur von den Arbeitslosen verschleudert worden oder in den Taschen der Bürokraten der Bundesanstalt gelandet. Folgewirkungen der Einsparungen? Nur positive, wird doch das System effizienter und der Anreiz zur Arbeitsaufnahme steigt. Wenn aber zwei Milliarden zusätzlich für öffentliche Investitionen ausgegeben werden, dann sind das alles rote Euros. Sie vermehren die Arbeitsplätze und fördern das Wachstum. So einfach ist Ökonomie: Wenn man sieben Milliarden blaue Euros nicht ausgibt und zwei Milliarden rote ausgibt, kommt hinten was Positives raus, und das, wie wir seit Exkanzler Kohl wissen, ist das Einzige, worauf es ankommt.

Ist ja auch klar. Die Arbeitslosen hätten das gute Geld nur in Schnaps und Bier umgesetzt, die Nürnberger Bürokraten davon nur Bratwürste gekauft. Wie sollte da die Volkswirtschaft genesen? Dumm gelaufen ist es nur für die Schnapsproduzenten, die Bierhersteller und die Würstlbrater. Die hätten mit den sieben Milliarden vielleicht neue Abfüllanlagen oder automatische Bratstände beim deutschen Maschinenbau bestellt oder gar neue Produktionsstandorte gebaut. Der Maschinenbau wiederum hätte seine Forschungsabteilungen bezahlen können, die er jetzt abbauen muss. Auch für die Bauwirtschaft wären ein paar neue Brauereien nicht schlecht gewesen. Aber dennoch: sieben Milliarden Euro für Bier, Schnaps und Würstl?

Da setzen wir besser die zwei Milliarden rote Euro richtig ein und bauen Straßen und Kläranlagen. Das schafft Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft, die Menschen sind in Lohn und Brot und können sich was leisten. Allerdings, auch Bauarbeiter lieben Bier, Schnaps und Würstl. Was passiert, wenn die nichts anderes im Sinn haben, als das sauer verdiente Geld auf die gleiche Weise auszugeben, wie es sonst die Arbeitslosen und die Bürokraten in Nürnberg getan hätten? Dann haben immerhin indirekt auch der Maschinenbau und die Bauwirtschaft was davon. Zwar ist es jetzt für alle deutlich weniger als vorher, aber immerhin haben sie jetzt ja rote Euros, die besser sind als blaue – oder?

Die Theorie mit den verschiedenfarbigen Euros zu Ende gedacht hat die Europäische Zentralbank. Sie sagt, es ist am besten, wenn der Staat gar kein Geld ausgibt. Dann steige das Vertrauen der Privaten, dass sie in Zukunft weniger Steuern bezahlen müssen. Wenn im nächsten Jahr neun Milliarden vom Staat weniger ausgegeben werden, dann bekommen zwar Bau und Maschinenbau noch weniger Aufträge und bauen Arbeitsplätze ab, aber die Menschen wissen ja immerhin, dass sie in fünf Jahren weniger Steuern bezahlen müssen. Folglich, so die Zentralbank, werden sie schon jetzt mindestens neun Milliarden mehr ausgeben und damit den Rückgang der Staatsausgaben ausgleichen.

Wenn es mir aber jetzt viel schlechter geht, woher weiß ich, dass es mir in fünf Jahren besser geht? Mein Wohlergehen hängt ja nicht nur von den Steuern, sondern z. B. auch von dem Überleben meines Betriebes sowie von meinem Lohn ab. Beides kann ich nicht vorhersehen, Jobs und Löhne sind aber wegen der gekürzten neun Milliarden akut gefährdet. Da kennen Sie die Wirtschaftssubjekte aber schlecht, wird die Zentralbank antworten: Weil wir die Preise stabil halten, wenn der Staat spart, ist die Zukunft gut vorherzusehen. Also: Wenn das Nürnberger Würstl und ein Bier in fünf Jahren noch das Gleiche kostet wie heute, wieso regen Sie sich dann noch auf, wenn Ihr Arbeitsplatz weg oder Ihr Betrieb pleite ist? HEINER FLASSBECK

Der Autor war 1998/99 unter Oskar Lafontaine Finanzstaatssekretär und ist seit zwei Jahren Senior Economist bei der UN-Handelskonferenz (Unctad) in Genf