: Liberale Kontoführung im Visier
Im Zuge der Möllemann-Affäre werden jetzt auch die NRW-Parteispenden früherer Jahre untersucht. Daneben gerät auch die Bundestagsfraktion in Erklärungsnot, weil sie der Partei ein Darlehen für die Finanzierung der neuen Berliner FDP-Zentrale gab
von PASCAL BEUCKER, SEBASTIAN STOLL und CHRISTIAN RATH
Auch ohne Möllemann bleibt es spannend bei der FDP in Nordrhein-Westfalen. Seine beiden Exvizes kandidieren gegeneinander um den Parteivorsitz. Nach Andreas Pinkwart hat nun auch Ulrike Flach ihre Kandidatur angekündigt. Die Wahl soll auf einem für November geplanten Sonderparteitag stattfinden.
Gleichzeitig geraten zunehmend auch die Vertrauten Möllemanns unter Druck. Landesschatzmeister Andreas Reichel sowie seinem Vorgänger und heutigen Landesgeschäftsführer Hans-Joachim Kuhl wird vorgeworfen, wochenlang mit Möllemann „paktiert“ zu haben. Sie hätten die Versuche der FDP-Bundespartei torpediert, die aufklären wollte, wie die umstrittenen Wahlkampfflyer finanziert wurden. So soll Landesschatzmeister Reichel „Fehlinformationen gegeben und Nebelkerzen geworfen“ haben.
Kuhl könnte auch in Bedrängnis geraten, weil sich manche in der FDP inzwischen fragen, wie eigentlich der Landeswahlkampf 2000 finanziert worden ist. Damals waren die Liberalen eine außerparlamentarische Opposition und finanziell chronisch klamm. Landesparteivize Ulrike Flach kündigte bereits an, dass die Partei nun auch „Prüfer an die vergangenen Jahre dransetzen“ wolle. Der Kölner FDP-Bezirksvorsitzende Werner Hoyer warnte vor vorschnellen Personaldiskussionen. „Das steht jetzt noch nicht an“, sagte er der taz. „Wichtig ist, dass erst mal gründliche Aufklärung betrieben wird“, so der Abgeordnete.
Druck macht aber auch die Bundespartei. Sie will endlich wissen, wer die Spender für den Flyer waren. Schatzmeister Günter Rexrodt drohte „notfalls auch eine Auskunftsklage“ an. Parteichef Guido Westerwelle fügte hinzu: „Wir wollen wissen, woher das Geld kommt.“ Beide zeigten sich zudem überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Möllemann einleiten werde.
Außerdem verlangt die FDP Schadenersatz. Nach dem verschärften Parteiengesetz ist die FDP verpflichtet, unzulässige Barspenden zurückzugeben. Sollten sich die Spender nicht ermitteln lassen, fällt das Geld zunächst an den Bundestagspräsidenten. Doch ist das Geld bereits ausgegeben: Mit den 840.000 Spenden-Euro wurde die Post bezahlt, hinzu kommen noch 137.000 Euro Druckkosten. Rexrodt: „Wir wissen nicht, ob die Rechnung überhaupt beglichen worden ist.“
Die FDP-Fraktion hat inzwischen auch nähere Aussagen zu einem umstrittenen Darlehen gemacht, das 1996 der „Liberal Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH“ gegeben wurde. Diese Gesellschaft, so ein Sprecher, sei im Hinblick auf den Berlin-Umzug der Parteizentrale gegründet worden und habe in Berlin-Mitte das Anwesen Reinhardtstr. 14 gekauft. Auf einer Etage residiert „als Mieterin“ auch die FDP-Bundesgeschäftssstelle. Die Liberal GmbH hat nach dieser Darstellung von einer Vielzahl von Investoren Gelder eingesammelt. Von der FDP-Bundestagsfraktion erhielt sie 5,43 Millionen Mark.
Dies sei ein „Investment“, so der Sprecher, das mit jährlich mindestens 5,1 Prozent verzinst werde. Das Geld sei gut gesichert, aber auch jederzeit verfügbar. „Zu diesen Konditionen bekommen Sie andernorts nicht so gute Zinsen“, betont die FDP-Fraktion. Die Bestimmungen des Abgeordnetengesetzes, das eine „Verwendung“ von Fraktionsgeldern für Parteiaufgaben verbietet, seien stets eingehalten worden.
Das Geld stamme aus Rücklagen, die die FDP-Fraktion gebildet hat. Sollte sie einmal nicht den Einzug in den Bundestag schaffen, würden hieraus Sozialpläne für die Mitarbeiter finanziert. Schon seit 1996 werde das Darlehen, so der Sprecher weiter, regelmäßig in der Bilanz der Fraktion aufgeführt. Geprüft wird die Bilanz jährlich durch einen Wirtschaftsprüfer.
Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck hat nun Bundespräsident Wolfgang Thierse aufgefordert, den Vorgang zu untersuchen. Allerdings hat das Bundestagspräsidium bezüglich der Fraktionsfinanzen – anders als bei den Parteigeldern – kein eigenes Prüfungsrecht. Zuständig ist der Bundesrechnungshof, der den Vorgang gestern nicht kommentieren wollte. Die Prüfergebnisse seien nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, so ein Sprecher.
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