Keusche Kirche oder 10 Verbote: BEK debattiert über Banalisierung durch Werbung
Werbung nicht um jeden Preis
„Sie haben alle sehr klug geredet“, meldete sich eine Vertreterin der evangelischen Auferstehungsgemeinde am Montagabend nach zwei Stunden Diskussion im Domkapitelsaal. „Aber Sie haben vergessen, dass es sich um einen Menschen handelt, der hier verurteilt wurde. Einen Pastor.“ Sie erntete Widerspruch.
„Wir sind Pastor Puschke dankbar, dass er die Auseinandersetzung über Kirche und Werbung angestoßen hat“, rief eine Juristin der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK). Und Ferdinand von Zobeltitz, deren oberster theologischer Repräsentant, räumte sogar persönliche Unbeherrschtheit in der Sache ein. Vom Podium herab hatte zuvor der Bischof der evangelischen Kirchenprovinz Sachsen, Axel Noack, lebensferner geklungen: Es sei doch ideal, am praktischen Beispiel theologische Themen abzuarbeiten. Wegen einer Personalie wäre er niemals gekommen.
Noacks „praktisches Beispiel“, an dem er gemeinsam mit dem Hamburger Theologen Fulbert Steffensky und dem kirchennahen Hamburger Medienberater Bernd-Jürgen Martini über Kirche und Werbung diskutierte, war eine Anzeige, die die Swb AG mit dem Pastor der evangelischen Auferstehungsgemeinde Hastedt, Martin Puschke, gemacht hatte. Im Talar hatte der Pastor den Werbefotografen eine Taufszene nachgestellt. Untertitel: „Die Zukunft unserer Kinder beginnt mit gemeinsamer Verantwortung. Auch für die Umwelt“. Doch er war beschimpft worden – und Kritik dominierte auch am Montag. Die Fürsprecher von offensiver Kirchenwerbung blieben zurückhaltend, wie vor dem Hintergrund der theologielastigen Fragestellung „Werbung mit kirchlichen Symbolen – wo sind die Grenzen?“ zu erwarten war.
„Ein Sakrileg“, hatte schließlich Zobeltitz gezürnt. „Bei einer Taufe zählen nur zwei Namen, der des Kindes und des dreieinigen Gottes“. Die Swb habe da nichts zu suchen. Die Kirchenspitze hatte unter Berufung auf „missbrauchte kirchliche Symbole“ die Anzeige gestoppt und so manches Mitglied „sehr traurig“ gemacht – wegen des harschen internen Umgangs, aber auch, weil die Unabhängigkeit der Gemeinden seither verwackelt erscheint. Doch neben dem allgemeinen Unbehagen darüber, dass jede Werbebeteiligung drohe, Kirche zu banalisieren, ist seit Montag nur klar: Wer keine Intervention riskieren will, sichert sich besser vorher ab. Umstritten blieb, welches kirchliche Symbol wann fehl am Werbeplatz ist.
Für Kirche als kommerzfreien „Raum der Keuschheit“ hatte der Hamburger Theologe Steffenski appelliert. „Werbung in der Form ja, in den Inhalten nicht“, plädierte der Hamburger Martini. Und die 40 Anwesenden, von denen kaum jemand unter 55 Jahren alt war, nickten zum kleinsten gemeinsamen Nenner, wonach „nur wahrheitsfähig ist, wer irrtumsfähig ist“. ede
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