piwik no script img

FDP verzichtet auf Show-down

Nächtlicher Coup von Parteichef Guido Westerwelle: Die Kampfkandidatur bei den Liberalen in Nordrhein-Westfalen fällt aus. Ulrike Flach beerbt Jürgen Möllemann als Landesvorsitzende, Andreas Pinkwart darf Vize in der Bundespartei werden

aus Düsseldorf PASCAL BEUCKER

Bis morgen hat Jürgen W. Möllemann noch Zeit. Dann läuft die Frist ab, die ihm die Bundes-FDP und sein nordrhein-westfälischer Landesverband gesetzt haben, um die Namen der großzügigen Gönner zu nennen, von denen die über 840.000 Euro auf Möllemanns „Wahlkampfsonderkonto“ stammten.

Neben juristischen Mitteln drohte die designierte Landesvorsitzende Ulrike Flach gestern auch mit seinem Parteiausschluss, falls sich alle Vorwürfe bestätigten und Möllemann weiterhin nicht kooperiere. Darüber hinaus kündigte die 51-jährige Bundestagsabgeordnete einen Kurswechsel an: Antisemitismusdebatten werde es mit ihr nicht geben.

Flach war am späten Montagabend nach fünfstündiger Sitzung vom Landesvorstand einstimmig bei einer Enthaltung für die Möllemann-Nachfolge nominiert worden. Dies war ein Überraschungscoup von Guido Westerwelle. Denn es galt den zweiten Kandidaten für den Landesvorsitz, Andreas Pinkwart, vorher mit einer anderen Option zu versorgen. Daher schlug der Parteichef in einer Sechs-Augen-Sitzung vor der Vorstandssitzung vor: Um einen Machtkampf auf dem Sonderparteitag zu verhindern, der für den 10. November geplant ist, könnten doch beide Möllemann beerben – Flach in Düsseldorf, Pinkwart in Berlin. Chaosforscher Pinkwart soll als FDP-Bundesvize nominiert werden.

Damit vermied Westerwelle einen gefährlichen Show-down. Denn eine Niederlage des farblosen Pinkwart wäre auch für den FDP-Chef eine herbe Schlappe gewesen, da Pinkwart als Westerwelle-Mann gilt und vom „Anti-Möllemann“-Bezirk Köln gestützt wird. Die immer noch zahlreichen Möllemann-Anhänger waren schon in Stellung gegangen. So hatte der Vorsitzender des Bezirksverbandes Münsterland, Heinz-Wilhelm Steinmeier, bereits gewarnt: „Königsmörder leben auch nicht lange.“ Steinmeier sieht Möllemanns Entmachtung als eine gezielte „politische Hinrichtung“ und eine „Blutrauschinszenierung“. Mit Flach hingegen kann Steinmeier gut leben. „Ich halte sehr viel von ihren harmonisierenden Fähigkeiten“, kommentierte er ihre Nominierung. Außerdem habe sie „jahrelang sehr gut mit Möllemann zusammengearbeitet“.

Unterdessen hat der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff eine Ferndiagnose zu Möllemann vorgenommen: „Wenn der Vergleich nicht so bizarr wäre, dann müsste man sagen, er hat sich benommen wie ein Selbstmordattentäter. Er hat sich mit allem, was es so an Möglichkeiten gibt, selbst politisch in die Luft gesprengt.“ Eine Lanze für seinen Freund brach hingegen der parteilose Düsseldorfer Landtagsabgeordnete Jamal Karsli, mit dessen Aufnahmeversuch in die NRW-FDP die Antisemitismusdebatte begann. Er bot Möllemann die Mitarbeit in einer von ihm geplanten „neuen sozialliberalen und interkulturellen Partei“ an. Er habe den Münsteraner Tausendsassa „stets als integren Menschen kennen gelernt“, sagte Karsli zur taz. Er wisse zwar nicht, ob die jetzigen Vorwürfe gegen Möllemann gerechtfertigt seien, sei jedoch „davon überzeugt, dass er auch hier nur die Interessen der Partei im Blickfeld hatte“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen