Schlaflos in Brüssel

Heute Abend beginnen die Staats- und Regierungschefs der EU, in Marathonsitzungen über die Finanzierung der Osterweiterung zu verhandeln. Es droht mal wieder ein fauler Kompromiss

BRÜSSEL taz ■ Beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, der heute Abend in Brüssel beginnt, werden wieder nervenaufreibende Nachtsitzungen erwartet. Bereits im Januar legte die EU-Kommission einen Finanzierungsvorschlag für die Erweiterung um zehn neue Mitgliedsländer vor. Seither schieben die zuständigen Minister das heikle Thema vor sich her.

Wie beim Berliner EU-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft die Finanzplanung bis 2006 oder beim Gipfel in Nizza die Vertragsreform wird auch dieses schwierige EU-Kapitel nun wieder mit heißer Nadel gestrickt. Dabei sind genau die faulen Kompromisse im Weg, die 1999 in Berlin geschlossen wurden, weil der Mut zu einer umfassenden Agrarreform damals fehlte.

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein französischer Gegenspieler Jacques Chirac, die sich schon damals nicht einigen konnten, haben nun wieder miteinander zu tun. Sie wollen sich vor Beginn des offiziellen Treffens heute Abend ein letztes Mal zusammensetzen, um einen Kompromiss in der Frage zu suchen, wie die französischen Agrarsubventionen erhalten werden können, ohne dass Deutschland noch mehr als bisher in die EU-Kasse einzahlen muss.

Diesem Schlichtungsgespräch werden aber wenig Chancen eingeräumt. Der amtierende Ratspräsident, der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen, hat gedroht, seine Kollegen in Brüssel festzuhalten, bis ein faires Finanzangebot für die neuen Mitgliedsländer auf dem Tisch liegt. Rasmussen versteht sich als Anwalt der kleinen EU-Mitglieder, deren Arbeit durch den Streit der beiden Elefanten gelähmt wird.

Sollte die Frage, wie die Erweiterung finanziert wird, auf den Gipfel Mitte Dezember in Kopenhagen verschoben werden, wären wieder die Kleinen die Dummen. Denn außer Polen bewerben sich nur kleine Länder um Neuaufnahme in die EU. Sie könnten dann das Finanzdiktat aus Brüssel nur noch abnicken – oder auf eine EU-Mitgliedschaft verzichten. Jede weitere Debatte würde den Plan zunichte machen, dass 2004 die neuen Mitglieder bereits das nächste EU-Parlament mit wählen.

DANIELA WEINGÄRTNER

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