„MAD“ noch billiger

Das intelligenteste Magazin der Welt ist bloß noch ein mäßiges Comic-Heft. Aber immerhin schon 50. Von Selbstironie und Gesellschaftskritik fehlt in der neudeutschen Ausgabe sowieso jede Spur

von CHRISTIAN JÖRICKE

Kaum jemand kennt Melvin Coznowski. Dabei ist er fast so berühmt wie Mickymaus oder Superman. Coznowski hieß allerdings nur eine Ausgabe lang so. Bekannt wurde der dauergrinsende Junge mit Segelohren und fehlendem Schneidezahn als Alfred E. Neuman.

Und der grinst in diesen Tagen besonders breit: MAD wird 50. Im Herbst 1952 erschien bei Educational Comics, wo bis dahin Horrorgeschichten wie „Tales from the Crypt“ veröffentlicht wurden, das erste Heft. Seitdem hat MAD über viele Jahre hinweg das Humorverständnis von Generationen junger Leser geprägt und zahlreiche Zeichner und Texter beeinflusst. Für Millionen von Jugendlichen bedeutete das Heft den ersten Kontakt zu Nonsens und Satire.

Garantiert unwitzig

Das hat sich heute etwas geändert. Zum einen, weil Fernsehen, Internet und auch der Comic- und Zeitschriftenmarkt mittlerweile Alternativen bieten. Zum anderen, weil MAD schlicht nicht mehr witzig ist.

Ursprünglich lag hier ein Comic, das andere Werke, auch aus dem eigenen Verlag, parodierte. Und dann auch vor Zeitschriften, Film und Fernsehen nicht Halt machte. Um der Zensur der neu gegründeten Comic Code Authority zu entgehen, machte der Verleger William Gaines Mitte der 50er-Jahre aus MAD ein Magazin.

Das Heft erschien nun in neuem Format, schwarzweiß und zu einem höheren Preis. MAD traute sich nun auch langsam an politische Themen heran und füllte in den 50er- und 60er-Jahren, als der Kalte Krieg für eine kollektive Paranoia unter den Amerikanern sorgte, die Lücke der politischen Satire.

Ab Mitte der 60er profitierte das Magazin vom gesellschaftlichen Klimawandel: Vietnamkrieg, Hippies und Drogen tauchten als Themen auf. Dabei machte man sich nicht nur über Haschisch rauchende Blumenkinder lustig, sondern auch über die nikotin- und alkoholabhängigen Philister, die der jüngeren Generation ihren Haschischkonsum vorwarfen. Diese liberale Haltung bescherte dem Blatt Anfang bis Mitte der 70er-Jahre eine Auflage von fast 3 Millionen Exemplaren in den USA.

Seit 1959 erscheinen Lizenzausgaben im Ausland, Deutschland musste warten: Erst im September 1967 wurde die deutsche Ausgabe von MAD gestartet. William Gaines bewies ein glückliches Händchen, als er Anfang der 70er-Jahre Herbert Feuerstein zum Chefredakteur machte. Zuerst gab es nur das übersetzte Original, im Laufe der Jahre brachte Feuerstein immer mehr deutsche Themen ins Blatt. Mit Zeichnern wie Ivica Astalos und Rolf Trautmann wurde aus MAD ein eigenständiges deutsches Satiremagazin. Drei Viertel des Hefts bestanden zwar weiterhin aus amerikanischem Material, doch Feuersteins Handschrift war unverkennbar. Er schuf die mehr als anschaulichen Lautmalereien („würg“, „lechz“) und verhalf MAD zu großer Popularität: Anfang der 80er lag die deutsche Auflage bei 330.000 Exemplaren – mehr als alle anderen Auslands-MADs zusammen. Doch 1991 machte Feuerstein Schluss, vier Jahre später wurde das Blatt eingestellt. Feuersteins Nachfolger Klaus Recht hatte zu viele alte Rubriken aufgebacken und frühere Beiträge einfach wiederholt. Und auch in der amerikanischen Redaktion saßen Zeichner und Texter, die schon weit über 60 waren und Gags für 15-Jährige machen sollten.

Trauriger Neuanfang

1998 legte der auf die Vermarktung von gezeichneten TV-Helden spezialisierte Dino-Verlag MAD wieder auf. Das erste Heft war ein Schock: Es erschien komplett in Farbe. Sogar der traditionelle Schwarzweiß-Strip „Spion & Spion“ war beige eingefärbt, mit goldenem Rahmen vor grün-blau gestreiftem Hintergrund!

Aber nicht nur optisch,auch inhaltlich hat sich MAD seitdem von einem Satiremagazin wieder in ein – äußerst mäßiges – Comic-Heft verwandelt, die deutsche Ausgabe noch mehr als die US-Version. Von selbstironischen Parodien und gesellschaftskritischer Satire hatte sich der Dino-Verlag sofort verabschiedet. Wenn Oliver Kalkofe im Jubiläumsheft schreibt, „Wer MAD freiwillig liest, der geht auch und kauft sich ein Computervirus“, muss man das wohl ernst nehmen.