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Islam-Partei droht Verbot

Die türkische Justiz geht gegen den Favoriten im Parlamentswahlkampf vor. Das Kalkül: Wähler verunsichern. Doch dieses Manöver stört die Bemühungen um einen Termin für EU-Beitrittsverhandlungen auf dem Gipfeltreffen im Dezember

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Zehn Tage vor den Wahlen in der Türkei hat der Generalstaatsanwalt beim Verfassungsgericht ein Verbot der konservativ-islamischen „Gerechtigkeit-und Entwicklung-Partei“ (AK-Parti) beantragt. Die AK-Parti gilt als großer Favorit bei den bevorstehenden Wahlen und kann nach bisherigen Meinungsumfragen auf eine absolute Mehrheit im kommenden Parlament hoffen.

Den Verbotsantrag begründete Generalstaatsanwalt Sabih Kanadoglu damit, dass die Partei gegen eine vorhergehende Entscheidung des Verfassungsgerichts verstoßen habe. Dabei ging es um die Rolle des Parteivorsitzenden Tayyip Erdogan. Vor rund zwei Monaten hatte das Verfassungsgericht entschieden, dass Erdogan aufgrund einer früheren Verurteilung wegen „religiöser Aufhetzung“ nicht zu den Gründungsmitgliedern einer neuen Partei gehören darf, und damit implizit bedeutet, Erdogan müsse vom Vorsitz der AK-Parti zurücktreten. Wenig später hatte der oberste Wahlrat entschieden, dass Erdogan aufgrund derselben Verurteilung auch nicht für einen Sitz im Parlament kandidieren darf.

Erdogan ließ sich zwar aus der Liste der Gründer der AK-Parti streichen, blieb aber Parteivorsitzender. Auch im Wahlkampf tritt Erdogan wie der Spitzenkandidat auf, auch wenn klar ist, dass er nach einem Sieg der AK-Parti weder Ministerpräsident werden kann noch ein anderes offizielles Amt bekleiden darf.

Doch das war dem Generalstaatsanwalt offenbar nicht genug. Zwar ist der Verbotsantrag damit begründet, Erdogan habe gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts verstoßen, weil er nicht vom Vorsitz der AK-Parti zurückgetreten sei, doch das scheint eher ein formaler Vorwand. Der Termin des Verbotsantrags wird als letzter Versuch verstanden, die AK-Parti doch noch zu stoppen, weil so mögliche Wähler verunsichert werden. Erdogan sprach von einem „Anschlag auf die Demokratie“, der die AK-Parti allerdings nicht aufhalten werde. Neben der innenpolitischen Spannung, die der Verbotsantrag nun erzeugt, wird das Manöver auch außenpolitische Wirkung zeigen.

Erst am Dienstag hatten der Nationale Sicherheitsrat unter dem Vorsitz von Staatspräsident Sezer beschlossen, vor dem EU-Gipfel im Dezember in Kopenhagen noch eine diplomatische Initiative zu ergreifen, damit die EU der Türkei ein Datum für den Beginn von Beitrittsverhandlungen nennt. Während Österreichs Kanzler Schüssel sich gestern im Deutschlandfunk skeptisch gegen einen Verhandlungsbeginn mit der Türkei äußerte, drängt Bundeskanzler Schröder angeblich darauf, ein positives Signal nach Ankara zu senden. Die Manöver im Vorfeld der Wahlen dürften Schröders Bemühungen in Brüssel bereits jetzt zusätzlich erschweren.

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