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Zwei Schwachpunkte

Aus dem „Schwerpunkt“ Bildung wurde eine Politik für eine Schule von gestern und für Hochschulen voller Geschäftsfelder

von KAIJA KUTTERund SANDRA WILSDORF

Bildung, so hatte es im Wahlkampf geheißen, solle bei dieser Regierung Schwerpunkt sein. Ist sie auch. So viel Aufruhr, Widerstand und Kritik wie Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) hat noch keiner seiner Senatskollegen provoziert: Beinahe täglich demonstrieren Schulen gegen seine Politik, Gewerkschaften, Eltern-, Lehrer- und Schülerkammer kritisieren sie unisono. Über 50.000 Menschen sind gegen die Bildungspolitik des Senats auf die Straße gegangen. Schuld an dem beispiellosen Dauerprotest ist Lange selbst: Statt in Zeiten steigender SchülerInnenzahlen und PISA-Fiasko die SchülerInnen besser zu versorgen, streicht er Lehrstellen, um sie dann wieder aufzubauen.

Was mit „I“ wie Integration beginnt, soll weg: Integrative Regelklassen soll es bald nicht mehr geben, integrierte Haupt- und Realschulen wollte Lange erst zur Regel machen, nun laufen sie nur als Versuch weiter, und die Gesamtschulen müssen zehn Prozent aller Lehrstellen abgeben und können damit ihren Auftrag kaum noch erfüllen.

Der ehemalige Konteradmiral gilt als beratungsresistent. Renommierte Mitarbeiter wie Staatsrat Hermann Lange und Landesschulrat Peter Daschner diffamierte Lange öffentlich und jagte sie aus der Behörde. Stattdessen ist jetzt Christdemokratin Ingeborg Knipper – gerade 70 geworden – Leiterin des Amtes für Schule. Die Novelle des Schulgesetzes, das über Hamburgs Schulen von morgen bestimmt, klingt folglich nach vorgestern: Auch für Grundschüler soll es wieder Noten geben, Kopfnoten außerdem, und die LehrerInnen sollen wieder besser sanktionieren können.

Das Abitur nach zwölf Jahren setzte er schon zu diesem Schuljahr durch, ohne einen zusätzlichen Euro. Das gilt auch für die dritte Sportstunde, für die es weder genügend Hallen noch genügend SportlehrerInnen gibt. Deshalb gilt jetzt auch Schachspielen auf dem Schulhof als Sport.

Der Senator hat es blitzschnell geschafft, die Mehrheit der 16.000 Hamburger LehrerInnen gegen sich aufzubringen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist ebenso auf Konfrontationskurs wie der konservative Deutsche Lehrerverband, dessen ehemaliges Vorstandsmitglied Reinhard Behrens jetzt Staatsrat der Behörde ist. Denn gerade noch hatte der Senator den LehrerInnen in einem freundlichen Brief versichert, an ihrer Arbeitszeit würde nicht gedreht, da beschloss der Senat auch schon eine Arbeitszeiterhöhung aller Beamten. Eine Lehrerarbeitszeitkommission soll nun ein neues Modell erarbeiten. Allerdings mit dem Ziel, einen „signifikanten Sparbeitrag“ zu erwirtschaften. Wenn das nicht nach Mehrarbeit klingt. SPD und GAL forderten Langes Rücktritt – vergeblich. Aber auch aus Regierungskreisen und der eigenen Partei gibt es Kritik an Lange.

Auch in der Wissenschaft ist es mit dem Schwerpunkt Bildung nicht weit her: „Undemokratisch, unsozial, unwissenschaftlich, unmodern“, so lautet das Fazit des Uni-AStA in seiner Broschüre über „Ein Jahr Hochschulpolitik unter dem Rechtssenat“. Der Koalitionsvertrag versprach, der Universität die Sparschulden zu erlassen und die Unterfinanzierung aufzuheben. Das wurde zwei Monate nach Regierungsantritt Makulatur. Und auch die Ankündigung, lange Studienzeiten erst dann mit Gebühren zu bestrafen, wenn das Studium in der Regelzeit studierbar ist, ist längst vergessen. Stattdessen hält der parteilose Wissenschaftssenator Jörg Dräger die Hochschulen mit einer ganzen Welle problematischer Vorhaben in Atem.

So hat Dräger eine externe Strukturkommission zum Umbau der Hamburger Hochschullandschaft eingesetzt – Mitglieder sind fast ausschließlich Experten aus der Wirtschaft, die organisatorische Leitung hat die Unternehmensberatung McKinsey. Dräger versucht, die Hochschulpräsidenten per „Letter of Intent“ (LOI) versprechen zu lassen, dass sie deren Empfehlungen umsetzen würden – wie auch immer sie lauten. Die Sprache des Briefs, den die taz veröffentlichte, machte deutlich, dass den Job des Wissenschaftssenators ein knallharter Unternehmensberater macht. Statt von Fachbereichen ist von „Geschäftsfeldern“ die Rede, deren „Wertschöpfung“ für die Stadt überprüft werden sollte.

Der Protest an den Hochschulen ist groß. Auf einer Sitzung des Akademischen Senats der Universität, bei der 600 Studierende zuhören, wird Uni-Präsident Jürgen Lüthje untersagt, den LOI in der vorliegenden Form zu unterzeichnen. Einen Tag später zeigt der Senator, dass doch er am längeren Hebel sitzt und kündigt ein neues Gesetz an, das die Hochschulgremien entmachten soll. Die erste Fassung hat der Hamburger Senat bereits verabschiedet.

Studierenden aller Hochschulen demonstrieren gegen diese Politik mit Demos und Aktionstagen, und sogar 191 Professoren veröffentlichen einen Protestbrief. Der Grund: Sie sehen die im Grundgesetz garantierte „Freiheit von Lehre und Forschung“ bedroht.

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