: Betrug statt Hilfe
Pharmakonzerne liefern Medikamente billig nach Afrika. Doch da kommen die Pillen nicht an. Betrüger nutzen Preisdifferenz für Reimporte in die EU
aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER
Der Fall sorgte Anfang des Monats für Schlagzeilen: Billige Aidspillen des Pharmakonzerns Glaxo Smith Kline, die für arme afrikanische Länder bestimmt waren, erreichten ihr Ziel nie. Seit Mai 2001 sind nach Angaben des Konzerns Medikamente im Wert von rund 18 Millionen Euro zurück nach Europa geschleust worden – die meisten nach Holland und Deutschland.
Wie andere Pharmaunternehmen hat sich auch Glaxo bereit erklärt, die Präparate weit unter dem EU-Marktpreis in Entwicklungsländer zu liefern. Während zum Beispiel eine Pille des Aidsmittels Combivir in Europa rund 8 Euro kostet, bietet Glaxo das Medikament im Kongo, im Senegal, in der Elfenbeinküste, in Togo und Guinea-Bissau für umgerechnet 80 Cent an.
Diese Preisdifferenz zieht Betrüger an. EU-Handelskommissar Pascal Lamy bestreitet zwar, dass der nun vorgelegte Verordnungsentwurf auf einen aktuellen Fall zurückgeht. Auch habe die Kommission keine Daten darüber, wie viele derartige Rabatt-Medikamente auf betrügerischem Weg in europäische Apotheken gelangen. Doch für die Politik unterschiedlicher Preise könnten Pharmafirmen nur gewonnen werden, wenn mögliche Schlupflöcher geschlossen würden.
Deshalb hat die EU-Kommission gestern einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der Reimporte von billigen Medikamenten verhindern soll. Im Februar 2001 entwickelte sie einen Aktionsplan, welche Schwerpunkte die EU-Entwicklungshilfe bis 2006 haben soll. In dieser Strategie nimmt Armutsbekämpfung durch medizinische Versorgung einen zentralen Platz ein.
Um die großen Seuchen Aids, Malaria und Tuberkulose einzudämmen, sollen pharmazeutische Unternehmen dazu bewegt werden, Medikamente knapp über dem Selbstkostenpreis an Entwicklungsländer abzugeben. Wie Außenhandelskommissar Pascal Lamy gestern erläuterte, ist die neue Verordnung ein Baustein in dieser langfristig angelegten EU-Entwicklungspolitik.
Das Verfahren sei so simpel wie transparent: Die Hersteller müssen jedes Billigprodukt lediglich in Brüssel melden. Die Packungen werden mit einem EU-Logo gekennzeichnet. Sollten sie später in die Europäische Union zurückgelenkt werden, müsste das für die Zöllner an den Außengrenzen mühelos zu erkennen sein – vorausgesetzt, die Umverpackung wird nicht vorher ausgetauscht.
Jeder Pharmahersteller, der seine Produkte maximal 10 Prozent über dem Herstellungspreis oder 80 Prozent billiger als innerhalb der Union an Entwicklungsländer verkauft, kann sich auf diese Liste setzen lassen. Die EU-Kommission hofft, dass die Maßnahme viele Firmen dazu ermutigt, sich an der Aktion zu beteiligen. „Wir müssen das Angebot von Billigmedikamenten erheblich erhöhen, damit sie auch die ärmsten Patienten erreichen“, betonte Entwicklungskommissar Poul Nielson gestern in Brüssel.
Mit ihrer Strategie unterschiedlicher Preise hofft die EU-Kommission weiteren Streit vor der Welthandelsorganisation (WTO) zu vermeiden. Im vergangenen Jahr hatten mehrere Pharmakonzerne Patentschutzklage gegen ein neues Gesetz in Südafrika erhoben. Es erlaubt einheimischen Firmen, Medikamente herzustellen, obwohl die Rezepturen nicht kopiert werden dürfen, da sie durch Patente geschützt sind. Erst auf internationalen Druck hin zogen die Konzerne ihre Klage zurück.
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