Krämer unter sich

Billionenschwere Industriekapitäne feiern die Eröffnung der neuen Managerschule – und reden über ihre Kreditwürdigkeit bei der Sparkasse

„Wir brauchen ein breiteres Wissen für die Pferde.“

von CHRISTIAN FÜLLER

Deutschland hat kein Absolventenproblem, das Land leidet an seinen Bossen. Als die Kapitäne der Industrie – Mercedes-Schrempp, Deutsche-Bank-Breuer, Allianz-Schulte-Noelle, E.ON-Hartmann, alle war’n se da – gestern ihr Lieblingsprojekt mit einem Festakt eröffneten, musste das Publikum lange auf Glanz warten. Erst als Derek F. Abell, der künftige Präsident der „European School of Management and Technology“ (ESMT), ans Mikro trat, verschwand der Muff der bürokratischen Rede, der Zahlenhuberei und des Krämergeistes.

Die Präsidenten der Berliner Universitäten, wiewohl erfreut über den Versuch einer privaten, exzellenten Business School am Schlossplatz, rutschten immer tiefer in ihre Festaktstühle. Eine lähmende halbe Stunde mussten sie ertragen, wie ThyssenKrupp-Lenker Gerhard Cromme und der Allianz-Boss Henning Schulte-Noelle gigantische universitäre Ansprüche erhoben, ohne eine einzige akademische oder inspirierende Idee vorzutragen. „Präsident Abell wird später auf die Visionen eingehen“, so Cromme.

„The business of business is business“, zitierte der frühere Luftfahrtingenieur und heutige polyglotte Business-School-Professor Abell einen Kollegen – und widersprach sogleich. Das Geschäft der Wirtschaft sei eben viel mehr als Buchhaltung, Marketing oder Finanzierung, sagte Abell, nämlich leadership, zu Deutsch: Führungskunst, Charisma und Charakter. Und genau das soll künftig gelehrt werden.

Allein, der Chef der European School an der edlen Adresse Schlossplatz 1 kann einem Leid tun. Die Crommes und Schulte-Noelles, seine Auftraggeber also, sind mit Buchhaltung und Projektfinanzierung so überfordert wie mit strategischem Verhandeln. Konkret: 25 der größten und angesehensten deutschen Unternehmen, die die Eliteschmiede tragen, müssen nun einen Kredit bei einer Berliner Sparkasse aufnehmen, um die Preziose zu renovieren, die ihnen die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin mietfrei überlassen. Weil aber die Kreditsachbearbeiter ihren Job tun und das Darlehen nicht herausrausrücken, ehe die Industrie einen Eigentumstitel vorweisen kann, müssen die vermeintlichen Top-Manager nun einen komplizierten Erbpachtvertrag mit Berliner Beamten aushandeln. Das muss am Tage der Eröffnung einer Hochschule, eines Orts des intellektuellen Disputs, niemanden interessieren – Gerhard Cromme aber quälte mit der unerledigten Aufgabe das Festaktspublikum.

Ein weiteres Schmankerl aus der Cromme-Rede, das Aufschluss über die Projektmanagementfähigkeiten in der deutschen Industrie gibt. „Wir sind Herrn Wissenschaftssenator Flierl sehr dankbar für die Inaussichtstellung der wissenschaftlichen Anerkennung“ – ein genehmigungsfähiger Antrag liegt der Berliner Wissenschaftsverwaltung bis dato nämlich nicht vor.

Dann trat Henning Schulte-Noelle, Chef des weltweit operierenden Finanzdienstleisters Allianz mit einer Bilanzsumme von einer Billion (!) Euro, ans Mikro – und begann zu betteln. Er hoffe, so der Mann mit dem Schmiss auf der Backe ungewohnt höflich, dass die „Donation“ der Hertie-Stiftung (25 Millionen Euro in acht Jahren) auch weitere Stifter inspirieren werde. Irgendwie hatte es schon etwas Rührendes: Männer mit Millionengehältern baten um Mildtätigkeit.

Die Knauserigkeit der deutschen Industrie, die Cromme und Schulte-Noelle indirekt beklagten, könnte freilich der eigenen Stiftungshochschule schaden. Denn die Preise, die ab März 2003 an der Business School am Schlossplatz genommen werden, sind fantastisch. Fünf Tage mit dem anspruchsvollen Titel „Das 1 x 1 in Marketing“ kosten 4.500 Euro, fünf mal zwei Wochen „europäische Wettbewerbsfähigkeit“ schlagen mit 45.000 Euro zu Buche. Ob deutsche Unternehmer bereit sind, so viel Geld für die Weiterbildung ihrer Führungskräfte auszugeben? Die nachwachsende Führungselite aber ist die wichtigste Zielgruppe der ESMT. „Wir brauchen ein breiteres Wissen für die Pferde“, nannte Präsident Abell das. Die Pferde, das sind die Jungs aus der zweiten Reihe hinter so famosen Vorstandsvorsitzenden wie den ESMT-Gründern, deren Weltruf derzeit darin besteht, die größten Kapitalvernichter der Wirtschaftsgeschichte zu sein.

Vielleicht ist dieses auch der eigentliche, im Grunde banale Sinn der Elite-Business-School. Unter den ersten Kursen sind auch solche für CEOs, die Chefs des exekutiven Geschäfts, zu Deutsch: die Vorstandsvorsitzenden. Die ESMT ist eine exklusive Weiterbildungseinrichtung von führenden Managern für sich selbst. Die Bosse wissen also, das sie’s nicht können.