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Wertmindernde Wohnform muss weichen

Architekturzentrum klagt erfolgreich gegen neue Nachbarn. Wagenburg muss erneut umziehen. Gericht: Rollheimer mindern Grundstückswert und sind in der Bauordnung nicht vorgesehen. Bauunternehmer will für Wagenburg klagen

Mit dem gestrigen Urteil des Verwaltungsgerichts ist es amtlich: Die Wagenburg Schwarzer Kanal soll ihr neues Domizil an der Köpenicker Straße bis zum 30. April 2003 räumen. Das benachbarte Deutsche Architektur Zentrum (DAZ) hatte gegen das Bezirksamt Mitte geklagt und die Räumung des Platzes gefordert. Die 60 Eigentümer des DAZ fürchten eine Wertminderung ihres Bürokomplexes durch die Rollheimer und eine Verschlimmerung des Leerstandes. Der Schwarze Kanal würde zu einer Verslumung führen, meinten die Architekten, und sie bekamen Recht. Außerdem seien Wohn- und Bauwagen prinzipiell zum dauernden Wohnen ungeeignet und keine Gebäude im Sinne der Baunutzungsverordnung.

Grundlage der Entscheidung des Gerichts war ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 13. März 1998. Damals war gegen eine Wagenburg an der Revaler Straße und zugunsten der pikierten Anwohner entschieden worden. Die frömmste Wagenburg kann nicht in Frieden leben, wenn es dem Nachbarn nicht gefällt. In der Baunutzungsverordnung des Bundes sind Wagen als Wohnstätten nicht vorgesehen – und deshalb grundsätzlich nicht zulässig. Die Behörden können zwar ein Auge zudrücken, legal sind die Rollheime jedoch nicht. „Das Leben im Wagen ist nach wie vor illegalisiert“, ärgert sich Michael Scheunemann vom Schwarzen Kanal. Die Rollheimer fordern nun eine Novellierung des Baugesetzes, durch die eine Experimentierklausel für alternative Wohnformen eingeführt werden soll.

Erst im September hatte die Wagenburg ihren bisherigen Standort am Spreeufer neben der Schillingbrücke geräumt, weil die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di dort ihre neue Bundeszentrale baut. Im Einvernehmen zwischen dem Schwarzen Kanal, der Gewerkschaft, den beteiligten Baufirmen Hochtief und Alex Bau GmbH sowie dem Bezirksamt Mitte war sechs Monate lang nach einem Ausweichquartier für die Wagenburg gesucht worden. Ein privatrechtlicher Vertrag sollte die Nutzung auf zweieinhalb Jahre an der Köpenicker Straße sichern. Alle schienen sich einig, Dorothee Dubrau, Baustadträtin von Mitte, erklärte die Varietékünstler vom Schwarzen Kanal zur Bereicherung des kulturellen Lebens im Quartier. Nur das DAZ konnte sich nicht mit der Anti-Architektur anfreunden. „Wir werden uns wehren“, betonte Jürgen Kilian, Projektentwickler von Alex Bau. „Wir werden unsere Verabredung halten und alle Rechtsmittel ausschöpfen.“ TILMAN GÜNTHER

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