Castor-Heldin freigesprochen

Verfahren gegen Schülerin eingestellt. Die 17-Jährige muss jedoch 50 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Sie hatte sich im März 2001 an einen Betonblock im Gleisbett gekettet und den Transport des radioaktiven Abfalls um 16 Stunden verzögert

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Die 17-jährige Schülerin Marie Steinmann, die sich vor eineinhalb Jahren vor einem Castor-Transport nach Gorleben im Gleisbett ankettete, hat auch vor dem Jugendrichter einen Erfolg erzielt. Richter Thomas Stärk entschied sich gestern in der nicht öffentlichen Verhandlung im Amtsgericht Dannenberg für eine Einstellung des Verfahrens. Damit hat zumindest die Gymnasiastin aus Lüchow für die Protestaktion, durch die der Atommülltransport seinerzeit über 16 Stunden aufgehalten wurde, keine Strafe mehr zu erwarten. Vor der endgültigen Einstellung des Verfahrens muss sie lediglich 50 Stunden gemeinnützige Arbeit in der Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg leisten.

Richter Stärk bezeichnete nach der nicht öffentlichen Verhandlung die mit der Einstellung verbundene Arbeitsauflage als „erzieherische Maßnahme“. Die Schülerin solle dadurch etwas von der Zuwendung zurückgeben, die sie durch medizinische Kräfte erfahren habe, als ihr in einem Betonblock im Gleisbett angeketteter Arm in Gefahr gewesen sei, sagte Stärk. Immerhin hatten bei der Ankettaktion von Marie und ihren vier Mitstreitern im März 2001 die Temperaturen erheblich unter dem Gefrierpunkt gelegen.

Die knapp hundert AKW-Gegner, Freunde und Mitschüler der 17-Jährigen, die sich gestern vor dem Amtsgericht in Dannenberg eingefunden hatten, quittierten die Einstellung des Verfahrens mit Jubel. Zufrieden zeigten sich auch die Eltern und der Verteidiger der Schülerin. Die Staatsanwaltschaft, die Marie Steinmann wegen Nötigung und Störung öffentlicher Betriebe angeklagt hatte, habe zunächst auf einem Urteil beharrt, sagte Rechtsanwalt Wolf Römmig. Dann habe die Anklagevertretung aber dem Drängen des Jugendrichters und der Verteidigung nachgegeben und der Einstellung die notwendige Zustimmung gegeben.

Bei der Entscheidung des Jugendrichters habe auch die abgewogene und durchdachte Prozesserklärung Maries eine Rolle gespielt. Darin bezeichnete die Schülerin die Aktion, als „gewaltfreie, aber bewusst auffallende Art des Protestes“, die aufrütteln sollte. Gerade der Transport im März 2001 sei der Beginn für eine Flut von Transporten gewesen. Es gebe bislang keine Lösung für die Endlagerung. Angesichts der Unsicherheit der Gorlebener Zwischenlagerhallen sei der grenzüberschreitende Handel mit Atommüll unverantwortlich. Mit der Blockadeaktion habe man sich für die Sache eingesetzt, jedoch niemandem Schaden zufügen und keine Gesetze brechen wollen.

Die vier Mitstreiter der 17-Jährigen sind vom Amtsgericht Lüneburg bereits wegen Störung öffentlicher Betriebe zu Geldstrafen von je 350 Euro verurteilt worden. Vom Vorwurf der Nötigung wurden auch sie freigesprochen.