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Kühler Empfang für den Deutschen

Nur Außenminister Colin Powell findet in Washington Zeit für ein Gespräch mit dem deutschen Kollegen. Auch den heimlichen Auftrag des Kanzlers kann Fischer nicht erfüllen: Auf einen Termin beim US-Präsidenten muss Schröder weiter warten

aus Washington PATRIK SCHWARZ

Hört sich so Entspannung an? „Differences“, „Disagreements“, „Disturbances“ und „Turbulences“ lauten die Vokabeln, die Joschka Fischer und Colin Powell bei ihrer Pressekonferenz vor dem US-Außenministerium benutzen. Unter vier Augen haben die beiden Außenminister an diesem Regentag in Washington gesprochen, und also auf Englisch ohne Dolmetscher. Der Deutsche gibt sogar seine Antworten vor den Journalisten in der Fremdsprache – doch die versuchte Charmeoffensive verfängt nicht recht.

Erst ganz zum Schluss und nur ein einziges Mal schenkt Powell seinem Gast den Ehrentitel „Freund“, während Fischer sich redlich abrackert, durch Komplimente an die Gastgeber ein wenig Wärme in die kühle Szenerie unter dem Betonvordach des State Department zu bringen. „Wir werden niemals vergessen, was die Vereinigten Staaten getan haben, um uns vom Nationalsozialismus zu befreien“, sagt Fischer, dankt für den Wiederaufbau und den Schutz Berlins, für die Hilfe im Kalten Krieg und bei der deutschen Vereinigung. „Und Danke auch ganz persönlich an dich, Colin, als Soldat hast du eine Menge dazu beigetragen.“ Trotzdem hat Powell ihm den Gefallen nicht getan, den Konflikt für beendet, die Gräben für zugeschüttet zu erklären. Hoffnungen auf einen versöhnlicheren Umgang miteinander macht er der Bundesregierung erst für eine unbestimmte Zukunft: „In due course“, in angemessener Zeit, werde man über den Streit schon hinwegkommen, sagt er vage.

Für ein Treffen, das nicht konkreten Ergebnissen dienen sollte, sondern der Verbesserung des Klimas, ist das ein ernüchternder Ausgang. Natürlich rechnete auch Fischer nicht damit, dass sich beim Streitfall Irak Veränderungen ergeben. „Wir fliegen nicht nach Canossa, wir fliegen nach Washington“, hatte er bereits im Flugzeug erklärt. Doch ist in Washington erneut deutlich geworden, dass weite Kreise der jetzigen US-Regierung das deutsch-amerikanische Verhältnis nicht nur von der Irakfrage belastet sehen. In den USA sind Episoden noch präsent, die in der Bundesrepublik schon halb vergessen sind. Da hatte der kurzzeitige SPD-Fraktionschef Ludwig Stiegler den Berliner US-Botschafter mit einem sowjetischen Statthalter verglichen, und ein hoher deutscher Diplomat setzte die Präventivkriegsdoktrin George W. Bushs mit der Breschnew-Doktrin gleich.

Herta Däubler-Gmelins angeblicher Vergleich zwischen den Methoden von Bush und Hitler hat es sogar in den populären Humor geschafft: „Das ist wirklich unfair gegenüber Hitler – der wurde schließlich demokratisch gewählt.“ Der Scherz geht zwar zu Lasten Bushs. Aber er zeigt, wie präsent das Däubler-Zitat in Amerika ist.

In diesem Umfeld konnte Fischer auch den heimlichen Auftrag des Kanzlers nicht erfüllen: Mit wachsender Ungeduld wartet Gerhard Schröder in Berlin auf ein Signal aus der amerikanischen Hauptstadt, dass George Bush wieder mit ihm spricht. Seit Monaten gab es kein Telefonat der beiden, von einem Termin für einen Besuch ganz zu schweigen. Selbst Powell wollte dem Kanzler keine großen Hoffnungen auf ein Treffen zu zweit machen, sondern verwies auf den Nato-Gipfel Ende November in Prag. Da seien doch alle Staats- und Regierungschefs versammelt, und „bei der einen oder anderen Gelegenheit in diesem Zusammenhang“ würden sich Bush und Schröder sicher begegnen.

Fischer versuchte in den gut 24 Stunden seines Washington-Aufenthalts vor allem, das Deutschlandbild in den Medien zu korrigieren. Dass Fischer so viel Zeit für die amerikanischen Journalisten erübrigen konnte, hat freilich einen wenig schmeichelhaften Grund: Er ist gescheitert mit dem Versuch, Einlass im Weißen Haus oder im Pentagon zu finden. Ein Treffen mit Präsident George W. Bush oder Verteidigungsminister Donald Rumsfeld galt zwar von vornherein als ausgeschlossen, doch zumindest auf einen Termin bei Rumsfelds Vize Paul Wolfowitz oder Bushs Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hatte man sich im Auswärtigen Amt wohl Hoffnungen gemacht. Noch im Flugzeug über den Atlantik versuchte Fischer die Aussage von Rice abzumildern, das deutsch-amerikanische Verhältnis sei vergiftet: „Ich habe nie behauptet, dass die Beziehungen ‚poisoned‘ seien.“ Doch bis kurz vor Fischers Weiterflug zu UNO-Generalsekretär Kofi Annan in New York sah es nicht aus, als würde „Condy“ sich noch mit einer Überraschungseinladung melden.

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