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Der heilige Poller

Während in Hamburg Betonschweine und Fahrradbügel entfernt werden, genießen Poller im Nachbarland Polen höchstes Ansehen. In Krakau ist ihnen sogar ein Vier-Sterne-Hotel gewidmet

von PETER AHRENS

Zuweilen tut ein Blick über die Grenzen gut. Wie gehen andere Völker mit schwer wiegenden Problemen wie falschen Uniformfarben oder zu wenigen Autos auf der Straße um? Was tun befreundete Regierungen, um dem Sicherheitsgefühl mittelständischer Unternehmer gerecht zu werden? Wie wird jenseits von Rhein und Oder bewältigt, dass es immer noch Ausländerbeauftragte in verprengten Winkeln der Welt gibt, die ihre Terrorherrschaft von Duldung und Zuwanderung ungestraft ausüben dürfen? Die taz hat sich aufgemacht und sucht europaweit nach Antworten.

Beispiel Polen. Beispiel Verkehrspolitik. Mitten in der alten Königsstadt Krakau, Weltkulturerbe, Hort jahrtausende alter Geschichte, in der Nähe des großartigen Platzes Rynek steht ein prächtiges Hotel-Restaurant. Hier verkehren die DiplomatInnen, die feinen Leute der polnischen Gesellschaft, hochrangige Vertreter von Kirche und Solidarnosc. Und um diesen Bau richtig zu adeln, hat die Stadtregierung ihm den Namen „Hotel Poller“ gegeben. „Während anderswo wie gerade zum Beispiel in Hamburg Poller herausgerupft, verfogt und vernichtet werden, genießt der Poller bei uns in Polen höchstes Ansehen“, sagt ein Sprecher der polnischen Verkehrsbehörde. So hatte König Kazimierz der Große im 14. Jahrhundert bei seinem Krönungsritt nach Krakau sein Pferd an einem Poller festgemacht, der vor der Wawel-Kathedrale angebracht war. Und um die heilige Malgorzata wird die Saga erzählt, ihr sei ein güldener Poller erschienen, der ihr das Nahen des Jüngsten Gerichtes prophezeit habe.

Da die Polen ein so gläubiges Volk sind, wird auch heute noch an einzelnen Stellen extra ein Parkplatz für Poller freigehalten, falls noch einmal solch eine Erscheinung folgt. Das nebenstehende Foto ebenfalls aus der Krakauer Innenstadt zeigt einen solchen Platzhalter. Autos dürfen lediglich in der Nähe parken.

Die rabiaten Aktionen von Schwarz-Schill gegen die Poller in Hamburg sollen bereits zu Verstimmungen mit dem hiesigen Generalkonsulat des Nachbarlandes geführt haben. „Dieser komische Schill soll gar nicht erst nach Krakau kommen: Einen Parkplatz stellen wir ihm hier jedenfalls nicht zur Verfügung“, schimpft ein städtischer Sprecher: „Ist der überhaupt ordentlich katholisch verheiratet?“ Er bot stattdessen allen Pollern, die in der Hansestadt geräumt werden, Kirchenasyl in Krakau an. Zudem werde man, so verlautet es, weiterhin alle diplomatischen Kanäle nutzen, um auf den Hamburger Senat in dieser Frage einzuwirken.

Ein bisschen gewirkt scheint der öffentliche Druck aus dem Osten jedoch schon zu haben: Die Schill-Fraktion im Bezirk Wandsbek hat in der Bezirksversammlung am Donnerstagabend einen Antrag gestellt, abgebaute Poller zum Schutz von Grünstreifen wieder aufzustellen.

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