: Gegen die „Achse der Desinformationen“
Der mögliche Krieg im Irak beschäftigt an diesem Wochenende in Berlin zwei Konferenzen – die nicht viel miteinander zu tun haben wollen. Der Tenor in beiden ist jedoch den Programmen nach gleich: gegen einen Krieg
Ein Krieg im Irak: In Berlin findet dieser Konflikt schon an diesem Wochenende statt, gedanklich – und als Konkurrenz zweier Konferenzen, die gestern ihr Programm vorstellten.
Im Gewerkschaftshaus war die Aussage klar: eine Warnung vor einem militärischen Angriff auf den Irak. „Es ist schon eine seltsame Kombination, die einen US-Offizier und einen UN-Beamten zusammenführt. Doch das ist der ernsten Lage geschuldet“, sagte der ehemalige UN-Koordinator im Irak, Hans von Sponeck, der sich in dieser Frage mit dem früheren UN-Waffeninspekteur Scott Ritter verbunden sah.
„Krieg ist eine viel zu ernste Angelegenheit, um ihn auf der Grundlage von Spekulationen zu beginnen“, betonte Ritter. Er kenne keine überzeugenden Beweise, die belegen würden, dass der Irak nach dem Abzug der Inspekteure erneut mit dem Bau von biologischen, chemischen und nuklearen Waffen begonnen habe. Hans von Sponeck wurde noch deutlicher: „Es gibt in Sachen Irak eine Achse der Desinformationen, die mitten durch das US-amerikanische und das britische Außenministerium geht.“ So würden dort angebliche Produktionsstätten von Waffen aufgeführt, die er bei einem Irakbesuch vor einigen Monaten als völlig zerstörte Ruinen vorgefunden habe. Ritter und von Sponeck forderten Verhandlungen und die Rückkehr der Waffeninspekteure. Doch Ritter glaubt, dass die USA dem nicht zustimmen werden. „Der Bush-Administration geht es nicht um die Abrüstung, sondern um einen Regimewechsel im Irak.“
Das ist auch das erklärte Ziel der in der „Koalition für einen demokratischen Irak“ zusammengeschlossenen Exilpolitiker, die zwei Stunden im Haus der Bundespressekonferenz ihre Sicht zum Irakkonflikt darlegten. Sowohl Latif Rashid von der Patriotischen Union Kurdistan als auch Safaa Mahmoud vom Islamischen Widerstand und Raid Fahin von der Kommunistischen Partei im Irak sprachen über die jahrelangen schweren Menschenrechtsverletzungen des irakischen Regimes. Auch hier der Tenor: Niemand will einen Krieg. Doch wenn er kommt, sei Saddam Hussein dafür verantwortlich. Mit dem Verweis auf Bosnien und das Kosovo zeigte zumindest Latif Rashid, dass er einer militärischen Zerschlagung des Hussein-Regimes nicht ablehnend gegenübersteht. Die seit Jahren im Exil lebenden Oppositionellen konnten keine konkreten Beweise für ihre Behauptungen vorlegen, dass der Irak weiterhin über Massenvernichtungswaffen verfügt.
Hans Branscheidt von Medico International und Tilman Zülch von der Gesellschaft für bedrohte Völker warfen sowohl der Bundesregierung als auch großen Teilen der Friedensbewegung Ignoranz gegenüber der irakischen Oppositionsbewegung vor. In diese Kritik ist auch der Internationale Irak-Kongress einbezogen, auf dem im Schöneberger Rathaus nach „Alternativen zu Embargo und Krieg“ gesucht werden soll. Neben Scott Ritter und Hans von Sponeck werden daran auch Peter Strutynski vom Bundesausschuss des Friedensratschlags, der britische Labour-Abgeordnete George Galloway und der Friedensforscher Reinhard Mutz teilnehmen. Auch der irakische Botschafter in London, Mudhafar Amin, wird sich an der Debatte beteiligen. Für die irakischen Oppositionsvertreter ist das ein weiter Beweis der angeblichen Regimenähe der Konferenz.
Auf einer Veranstaltung an der Technischen Universität positionierte sich die antideutsche Linke schon am Freitagabend unter dem plakativen Motto „Gegen das Bündnis von Friedensbewegung und Baath-Regime“ gegen den Irak-Kongress. Als Referent tritt dort auch Thomas von Osten-Sacken auf. Er war es, der am Vormittag die Pressekonferenz der irakischen Oppositionellen moderierte. PETER NOWAK
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