: „Die sitzen das aus“
Wie bei der Privatisierung des öffentlichen Dienstes auch die Frauenförderung hinten runter fällt – eine Analyse der Frauenbeauftragten im Innenressort
Sie ist Netzadministratorin beim Senator für Inneres, Kultur und Sport. Und Jutta Sonnemann, 33, ist seit sieben Jahren Frauenbeauftragte, außerdem Sprecherin des Arbeitskreises der Frauenbeauftragten im öffentlichen Dienst. Wir sprachen mit ihr über die Tücken des Landesgleichstellungsgesetzes, das die Gleichbehandlung im öffentlichen Dienst vorschreibt. Und über den Konzern Bremen, in dem Frauenförderung ausgesessen werden kann.
Erleben Sie oft, dass der Senator an Ihnen vorbei agiert?
Wenn es schon soweit ist, dass die Sache an die Landesfrauenbeauftragte geht, ist es selten, dass die Dienststelle ihre Meinung noch ändert.
Werden Sie oft belächelt?
Mittlerweile nicht mehr. Es war ein harter Kampf, sich im Haus durchzusetzen. Aber ich bin auch Personalrätin. Als ich nur Frauenbeauftragte war, sah das schlechter aus.
Wie bewerten Sie die Situation von Frauen im öffentlichen Dienst?
Wir haben hier im Haus über 50 Prozent Frauen. Aber wo sind die denn? Nicht oben in den Hierarchien, sondern unten. Bei den Führungspositionen sieht es katastrophal aus. Das ist nicht nur bei uns so, das ist in anderen Häusern genauso. Ab der Ebene der Referatsleiter aufwärts sind nur 23 Prozent Frauen.
Woran liegt‘s?
Es ist keineswegs mehr so, dass Frauen keine Führungsqualitäten zugetraut würden. Das Problem ist nur: Die Führungsjobs sind jetzt besetzt, mit Männern. Aber bis 2010 geht die Hälfte davon in Ruhestand. Das ist unsere Chance. Wobei es auch vorkommt, dass – wenn Stellen frei sind – Qualifikationen unterschiedlich bewertet werden. Dann wird es schwierig ...
.... diplomatisch ausgedrückt. Wie wichtig ist Diplomatie?
Ganz wichtig. Wir haben ja, Stichwort zahnlose Tigerin, kein Machtmittel.
Gibt es Bereiche, die bei der Frauenförderung besonders schlecht aussehen? Hat zum Beispiel die Polizei eine Frauenbeauftragte?
Nicht nur das, sie hat jetzt auch einen Frauenförderplan. Die Frauenbeauftragte ist dort jetzt – und das regelt der Förderplan – sogar von ihren anderen Aufgaben zum Teil freigestellt.
Sie nicht?
Nein. Das ist ein großes Problem: Wir Frauenbeauftragte sind als Erste dran, müssen also binnen einer Woche zu allen Vorgängen eine Stellungnahme abgeben. Und anders als beispielsweise der Personalrat bin ich alleine. Zwar steht im Gesetz, dass wir soviel Zeit haben sollen, wie wir für unsere Aufgaben benötigen. Aber das ist ein Gummiparagraph. Ich bin hier nicht freigestellt, habe mir aber erkämpft, dass ich mir die Zeit für meine Arbeit als Frauenbeauftragte nehme.
Nochmal zu Ressorts und Behörden in der Bremer Verwaltung. Wo läuft es gut, wo ist es problematisch?
Bei einigen Krankenkassen zum Beispiel, die dem öffentlichen Dienst zugerechnet werden, wurden Frauenbeauftragte massiv unter Druck gesetzt, indem man ihnen keinen zeitlichen Freiraum gelassen und darauf gedrängt hat, dass die Dienstaufgabe erledigt wird, Motto: Wie du das machst, ist dein Problem.
Wer macht dann die Arbeit?
Die KollegInnen. Von denen kommt dann auch noch Druck. Da kämpft man an mehreren Fronten. Wenn man Frauenförderung im öffentlichen Dienst will, muss man die personellen Ressourcen dafür zur Verfügung stellen.
Wie sieht es denn bei den ausgegliederten Gesellschaften aus?
Nicht gut. Diese Gesellschaften waren ja Dienststellen des öffentlichen Diensts, die privatisiert wurden. Das Problem ist: Das Landesgleichstellungsgesetz gilt hier nicht mehr. Bei Privatisierungen greift der Überleitungstarifvertrag. Darin ist geregelt, dass Frauenfördertarifverträge abzuschließen sind. Das Problem ist: Das Landesgleichstellungsgesetz gilt hier nicht mehr. Und wir haben jetzt das Problem, diese Verträge unterschrieben zu bekommen.
Wer weigert sich denn?
Hanse Wasser, die Bremen Marketing GmbH, die Kulturmanagement Bremen, GmbH, die Baumanagement Bremen GmbH, die Bremer Gewerbeflächen-Gesellschaft, die ID Bremen, das BAW Institut für Wirtschaftsforschung und die Bremer Arbeit GmbH.
Mit welcher Begründung?
Mit keiner. Die sind vom Verdi-Tarifsekretär Onno Dannenberg aufgefordert worden, in Verhandlungen einzutreten und reagieren nicht. Die sitzen das aus. Da wäre es schön, wenn wir von der Politik ein bisschen mehr Unterstützung bekämen, die den mündlichen Bekenntnissen zu Frauenförderung entspräche.
Wittern Sie da eine Strategie, Frauenförderung wieder zurückzudrängen?
Durchaus. Ich finde die Politik der Privatisierung zweifelhaft, nicht nur was das Aushebeln des Landesgleichstellungsgesetzes angeht.
Warum ist denn Frauenförderung so unpopulär? Weil Frauen Kinder kriegen und Teilzeit arbeiten wollen?
Das spielt mit rein. Es muss ja jeder Arbeitsplatz teilzeitgeeignet sein. Das durchzusetzen, ist aber verdammt schwierig. Was ich schon für Begründungen gelesen habe, warum ein Platz nicht teilzeitgeeignet sei – abenteuerlich. Wobei das Problem keines mehr wäre, wenn Männer sich für Familienarbeit genauso zuständig fühlten und die Teilzeitmöglichkeit in Anspruch nähmen.
Wieviel Männer gibt es denn, die der Familie wegen Teilzeit arbeiten?
Bei uns im Haus: null. Im öffentlichen Dienst insgesamt sind es weit unter fünf Prozent.
Gibt es etwas, das Sie und Ihre Kolleginnen besser machen könnten? Sich mehr Zähne zulegen?
Ich habe schon einige Zähne bekommen, ich habe mich durchgebissen. Aber das hat Kraft gekostet. Und viele Frauenbeauftragte geben vorher auf, weil sie den Druck nicht mehr aushalten. Das ist auch eine Frage der Dienststellenleitung: Wenn die die Frauen permanent unter Druck setzen, gibt irgendwann auch die Stärkste auf. Mein Credo lautet inzwischen: Wenn die mich ärgern, werde ich nur stärker. Ich würde den Job nicht schmeißen. Aber das sehen nicht alle so. Fragen: Susanne Gieffers
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