: Kopftuch? Scherfsache!
Bürgermeister Henning Scherf setzt sich für Schulpraktikantin mit Kopftuch ein. Integrations-Beauftragte Beck lobt den „kleinen Dienstweg“ als „charmant“ aber nicht ganz ausreichend“
Quasi über Nacht ist die Kopftuchfrage in Bremen zur Chefsache und damit anscheinend lösbar geworden. Eine Referendarin, die wegen ihres religiösen Kopftuch-Bekenntnisses zuletzt in Bremerhaven ihr Unterrichtspraktikum an der Amerikanischen Schule nicht antreten durfte, soll nun offenbar doch ein Schulpraktikum absolvieren dürfen. Entsprechenden jüngsten Signalen aus der Bremer Bildungsbehörde geht eine öffentliche Äußerung von Bürgermeister Henning Scherf (SPD) bei einer Diskussionsveranstaltung im Rahmen der Islamwoche Ende letzter Woche voraus.
Man werde der jungen Frau nun helfen, einen Praktikumsplatz an einer Schule in Bremen zu finden, kündigte der im Bildungsressort mit Migrationsfragen befasste Oberschulrat Werner Wilker gegenüber dem Weser Kurier an, kurz bevor er nun auf Pisa-Dienstreise nach Finnland ging. Das mit Willi Lemke sozialdemokratisch besetzte Bildungsressort vollzieht damit eine Kehrtwende, hatte es sich doch erst kürzlich noch einen juristischen Schlagabtausch mit der Bundesintegrationsbeauftragten Marielusie Beck geliefert. Dabei hatte das Lemke-Ressort vertreten, dass eine Muslima mit Kopftuch im Schuldienst vorerst keine Chance habe. Keine Rolle spiele dabei, ob sie aktiv missionisch wirken wolle, denn immer wirke ein Kopftuch indirekt. Die zu religiöser Neutralität verpflichtete Schulbehörde habe dafür zu sorgen, dass Konflikte schon im Vorfeld verhindert würden. Die Argumente Becks, dass für die Muslima damit das Grundrecht auf Ausbildung ausgehebelt werde, war bei Lemke mit dem Hinweis verhallt, dass eine endgültige Entscheidung getroffen würde, sobald ein in ähnlicher Frage erwartetes Verfassungsgerichtsurteil falle.
Darauf muss die 21-jährige Studentin nun nicht mehr warten. Vorausgesetzt, sie schwört jeder missionarischen Absicht ab, wird die angehende Grundschullehrerin wohl bald einen Praktikumsplatz finden. In Bremen, nicht in Bremerhaven, das seine bislang vom Bildungsressort gedeckten Entscheidungen „unabhängig“ fällen dürfe, wie es heißt. Aus Berlin lobte Beck den „kurzen Dienstweg“ als eine charmante Seite Bremens. Langfristig genügten Einzelfallentscheidungen aber nicht. ede
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