: Gestorben wird zuletzt
In den ersten neun Monaten seines Bestehens hat das hospiz:brücke schon 100 „Gäste“ beherbergt, viele nur wenige Tage lang. „Hier wird gelebt bis zum letzten Atemzug“, sagt Leiterin Foppe
Monika Foppe sagt, dass sie „viel Spaß“ an ihrer Arbeit habe. Für manche Ohren klingt das vielleicht befremdlich, denn Foppe leitet das hospiz:brücke, Bremens erstes und bislang einziges stationäres Hospiz für schwerstkranke Menschen. Bis zum letzten Januar war die Jugendstilvilla an der Langen Reihe – unmittelbar am Waller Park gelegen – renoviert worden, im Februar wurden die ersten Gäste in die acht vorhandenen Zimmer aufgenommen. Ganz bewusst spricht Foppe nicht von Patienten oder Kranken, sondern von Gästen: Die todgeweihten Menschen, keiner verlässt das Haus lebend, sollen sich dort wohlfühlen. „Gestorben wird zuletzt“, sagt Monika Foppe: „Hier wird gelebt bis zum letzten Atemzug, teilweise noch mit hoher Qualität.“ Aber klar ist auch: Eine Chance auf Genesung haben ihre Gäste nicht.
„Dem Gast ein selbstbestimmtes Leben und ein würdiges Sterben zu ermöglichen“, das ist die Devise der HospizmitarbeiterInnen. Voraussetzung für die Aufnahme in das Haus ist, dass die Gäste an einer unheilbaren Krankheit leiden, eine klinische Therapie keinen Sinn mehr hat und ihre Lebenserwartung nur noch wenige Wochen beträgt. Herkunft und Glaube spielen keine Rolle. Die „Durchschnittsverweildauer“ der Hospizgäste liegt derzeit bei etwa zwölf Tagen, viele sterben aber auch schon binnen einer Woche.
Rund 100 Gäste hat das Hopiz bislang beherbergt: „Das waren zu hundert Prozent Krebskranke“, sagt Foppe, „manche hatten zusätzlich Aids“. Fast alle waren unter 60 Jahre alt, viele sogar erst zwischen 30 und 40.
Alfred Kuhlmann, der Vorstandsvorsitzende der Zentrale für Private Fürsorge, die das Hospiz trägt, ist über die breite Akzeptanz „hoch erfreut“. In kürzester Zeit sei das Haus „zu einem Ort der Geborgenheit geworden“. Die Gäste kommen meist direkt aus Kliniken in Bremen und umzu, die Initiative geht in der Regel von Ärzten oder von Angehörigen aus. Anders als im starren, hektischen Klinikalltag soll im Hospiz der Gast im Mittelpunkt stehen. „Das Frühstück kann jemand morgens, oder, wenn er will, auch nachmittags um zwei einnehmen“, sagt Foppe.
15 examinierte Krankenschwestern und -pfleger mit onkologischer Erfahrung kümmern sich um die Gäste, ebenso viele HelferInnen arbeiten ehrenamtlich im Hospiz mit: „Ein supergutes Team haben wir da zusammenbekommen“, sagt Chefin Foppe. Für die palliative, also schmerzlindernde Versorgung ist bestens gesorgt – etwa durch Sauerstoffgeräte oder Morphiumpumpen. Nicht nur für den Empfang oder den hauswirtschaftlichen Bereich, sondern auch für die psychosoziale Unterstützung werden dringend weitere Ehrenamtliche gesucht: Sie spazieren mit den BewohnerInnen durch den herrlichen Garten der Villa, führen Gespräche mit den Sterbenden, trösten Angehörige. Wichtig ist Foppe, dass die Gäste über ihr nahes Ende Bescheid wissen. Wenn das noch nicht der Fall sein sollte, „sorgen wir für Klarheit“, sagt die gelernte Krankenschwester.
Jeder Gast hat ein geräumiges Zimmer mit Stuckdecke, Parkettboden und integrierter Nasszelle. Warmes Licht und gedeckte Farben sorgen für eine ruhige Atmospäre. Außerdem kann man persönliche Dinge oder Möbel von zu Hause mit ins Hospiz bringen. „Manche Gäste blühen hier noch einmal richtig auf“, erzählt Foppe: So sei eine Frau mit Vorliebe in ihre Stöckelschuhe geschlüpft, habe sich geschminkt – und Sekt geschlürft.
Für die ärztliche Versorgung der Hospizgäste sorgen Onkologen und Schmerztherapeuten vom Krankenhaus „Links der Weser“ und dem Evangelischen Diakoniekrankenhaus. 90 Prozent der Kosten übernehmen die Kranken-, Renten- und Pflegekassen sowie der Sozialhilfeträger. 60.000 Euro Spenden im Jahr sind allein nötig, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Und auch der Gast muss einen Eigenanteil bezahlen: 12,02 Euro am Tag. Markus Jox
Infos unter Tel. 0421/380240
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