reichstagkicker: So werden wir nie Weltmeister
Hat sich eigentlich jemand mal überlegt, warum wir 1990 Fußball-Weltmeister wurden? Nein, natürlich nicht! Sonst wäre die Geschichte, die es hier zu kommentieren gilt, keine Geschichte. Ist sie aber …
Kommentar von UWE RADA
Aber der Reihe nach. 1990, so könnte man es sich einfach machen, war das Jahr von Franz Beckenbauer und Helmut Kohl. Eine spezifisch deutsche Mischung also, die für viele fast zwangsläufig zum Weltmeistertitel führen musste. 1990 war aber noch was anderes. 1990 spielte man nicht nur in Italien Fußball, sondern auch in Berlin, und zwar vor dem Reichstag.
Kicken vor „Dem deutschen Volke“, das war Zivilgesellschaft, Talentsuche und Werbung für Berlin in einem. Doch dann kamen die Reichstagsverhüllung, die Bauarbeiter, das verkahnte Finale von Yokohama und das Spiel gegen die Färöer.
Und nun? Haben wir etwas gelernt? Nein! Obwohl Bundestagspräsident und Fußballfan Wolfgang Thierse schon 1999 in einem Akt weiser Voraussicht die Wiederkehr der Freizeitkicker vor den Reichstag ankündigte, stellt sich der Leiter des Natur- und Grünflächenamts Mitte stur. Man muss sich das mal vorstellen: Ein sturer Beamter gegen ein ganzes Fußballvolk.
Doch darf er so bleiben? 2006 findet immerhin die Fußball-WM in Deutschland statt, mit dem Endspiel in Berlin! Was wäre das für eine Werbung: Freizeitkicker vorm Reichstag, Deutschland und die Türkei im Endspiel und das Siegtor von Ilhan Mansiz (ein Eigentor natürlich!).
So aber schießen wir das Eigentor schon früher. Und das alles wegen „Dem deutschen Volke“. So werden wir nie Weltmeister.
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