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berliner szenen Unsinn entsorgen

Kohlen sparen

Das Jahr geht seiner Wege und böse guckt der Winter. Es verändert sich die Welt ofenbeheizter Wohnungsmenschen. Am Schreibtisch fließt Kälte die Hosenbeine hoch und die Füße klagen da unten. Manchmal raucht man am Morgen, weil der Rauch den Bauch und die Glut das Zimmer wärmt. Vor dem Schreibtisch treffen kalte auf wärmere Luftmassen, was möglicherweise zu einem Wirbelsturm führen könnte.

Diesen Winter war ich entschlossen, ohne Kohlen zu überstehen, und verheizte stattdessen die Möbel, die Kollege Vormieter zurückgelassen hatte. Möbel zu verheizen verband die hohe Kunst der Lebenspraxis mit existenzialistischem Heroismus. Jeden Morgen ging’s in den uralten Keller, wo Gespenster wohnen und die Pressholzplatten der auseinander gebauten Schränke zersägt wurden. Bleich war das Licht, von der Decke hing eine Spinne. Die Säge machte ordentlich Krach. Abends gruselte man sich manchmal; morgens war das Sägen gesund und es machte Spass, den Stühlen die Beine zum Frühstück auszureißen.

Die direkte Umsetzung von Arbeit in Wärme verminderte allmählich den ganzen Unsinn, der im Keller herumstand und einen ja nun nicht das ganze Leben begleiten sollte. Wenn man spazieren geht, nimmt man manchmal auch was von der Straße mit; zerhackte Baumbestandteile, die weit besser brennen als Apfelsinenkisten, die’s aber nicht mehr so häufig gibt wie früher. Eine Weile hatte ich die fixe Vorstellung, mir Pantoffeln kaufen zu müssen, von der ich nach einem Besuch der Domäne am Halleschen Tor dann doch Abschied nahm; in flauschige Pantoffeln mit Tiergesichtern zu treten war zu krass, die normalidiotischen waren aus Plastik zu teuer.

DETLEF KUHLBRODT

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